Tod am Chiemsee (German Edition)
war.
Sie räumte gerade die benutzten Gläser auf, um sie in die Küche
zu bringen, als Maximilian zurückkam. Er sah aus, als wäre er einem Gespenst
begegnet.
»Ich glaube … sie stirbt«, flüsterte er. Und diesmal meinte er seine
Oma.
»Wo ist sie?«, fragte Althea. Was war da passiert? Wie konnte
Friederike sterben?
Maximilian sagte nichts. Er nahm ihre Hand und lief los. Althea
versuchte mit der anderen Hand ihr Ordensgewand zu raffen – manches Mal
behinderte einen das Ding schon ziemlich. Immer dann, wenn man es eilig hatte.
»Ich hab sie nicht direkt gesucht, hatte nur ein komisches Gefühl«,
erklärte er. »Da vorne an der Mauer.«
Auf den ersten Blick sah es aus, als säße da jemand, der auf dem
Sommernachtsfest ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hatte. Wohl kaum, wenn
sie die Bowle so scheußlich fand, sagte sich Althea.
Sie ging vor Friederike Villbrock in die Knie und tastete nach ihrem
Puls. Ganz leicht klopfte es gegen Altheas Fingerspitzen. »Sie stirbt nicht«,
sagte sie zu Maximilian.
Jedenfalls nicht sofort, dachte sie. Warum ging ihr die Bowle nicht
aus dem Kopf … Gift? Konnte das sein?
»Maximilian, wir müssten sie tragen, und das schaffen wir beide
nicht. Ich bleibe bei ihr. Du organisierst ein paar Männer, sag ihnen, es eilt.
Ich verlasse mich auf dich.«
Althea hob Friederikes Kopf an, roch an ihren Lippen, hörte auf
ihren Atem und zog ihre Augenlider hoch.
»Warum du?«, fragte Althea. Friederike hatte das Gesicht verzogen,
also musste ihre Bowle bitter gewesen sein.
Und wie viel Zeit war vergangen, seit sie davon getrunken hatte? Zu
viel, dachte Althea.
Lieber Gott, bitte, bitte nicht!, bat sie stumm. Es war Althea egal,
wie gemein Friederike sein konnte, es war ihr sogar egal, wenn sie schließlich
doch noch in einer weit entfernten Wüstenregion landen würde. Kein Tod im
Kloster, hörst du? Sie war nicht in ihrer Zelle, die kleine Gestalt am Kreuz
war nicht zugegen, aber hoffentlich doch immer da. Er musste sie einfach hören!
»Du stirbst mir hier nicht. Das ist mein Ernst.«
Benedikt Lanz. Althea wusste von Maximilian, dass Friederike in der
Chiemseewerft aufgetaucht war, aber sie konnte in der Kürze ja kaum etwas über
das Motiv und den Mörder herausgefunden haben. Lukas’ Täterschaft lag da viel
näher, und wenn Althea ehrlich war, hatte auch sie den Enkel verdächtigt und
nicht den Großvater.
Lukas, der Friederikes Weiblichkeit wachgeküsst hatte. Althea hatte
die dumpfe Ahnung, dass einem in einer Notsituation alles Mögliche und
Unmögliche einfiel.
»Oh, du unselige, dumme Frau. Untersteh dich, mich noch mehr zu
ärgern!«, schrie Althea Friederike an. Womit konnte sie ihr drohen? Wie auch
immer – leider wusste sie, dass ihre Drohungen Friederike nur ein müdes Lächeln
entlocken würden. Aber selbst ein müdes Lächeln hätte sie gern auf Friederikes
Gesicht gesehen.
Vielleicht war es tatsächlich Altheas Stimme, die eine Reaktion
provozierte, eine leichte Regung, ein Öffnen der Lippen.
»Das ist gut, bleib da! Sonst sperren sie mich am Ende wieder ein,
Verdacht auf Giftmord. Und ich war es bestimmt nicht, weil das als Heimtücke
gilt und ich solche Sachen lieber in Handarbeit erledige.« Das müsste doch
genügen, sagte sich Althea, um auf die Barrikaden zu gehen.
In ihrem Innern aber lauerte die Angst, die ihr so unangenehme
Friederike würde womöglich hier im Kloster ihren letzten Atemzug tun.
Friederike nuschelte Unverständliches und schlug nach der Luft um sich herum.
Wenigstens reagierte sie.
Jetzt waren Stimmen zu hören … allerdings hätte Althea nicht mit
Stefan und der alten Kath gerechnet.
»Danke«, sagte Althea erleichtert. »Dem, der euch beide geschickt
hat.« Sie erklärte kurz ihre Vermutung. »Ihre Pupillen sind geweitet, ihr Herz
rast. Sie phantasiert. Ich würde sagen, es ist Gift – am wahrscheinlichsten
Engelstrompete. Die Blüte würde dem, der sie nicht kennt, in einer Bowle nicht
auffallen. Sie blüht gerade in vielen Gärten in sämtlichen Farben.«
Stefan wiederholte ratlos: »Gift? Sagt man das nicht Frauen nach?«
»Genau das war seine Absicht«, sagte Althea. »Er hatte mich nicht im
Blick, aber natürlich meint er mich. Ich habe ihn beobachtet, aber zu spät
begriffen, dass es nicht Lukas Lanz ist.«
»Schafft sie es?«, fragte ein besorgter Maximilian. »Verdammte
Abenteuerferien.«
Althea bewunderte ihn für das, was sie für sich Antihysterie nannte.
»Wir tun alles, was möglich ist,
Weitere Kostenlose Bücher