Tod am Chiemsee (German Edition)
Maximilian, das verspreche ich dir.«
»Ich weiß doch«, sagte er und nickte.
Um die Bowle mit dem giftigen Zusatz zu erbrechen, dafür war es
wahrscheinlich zu spät, die Verabreichung lag schon zu lange zurück. Sie musste
nachdenken. Es war wie in ihren Alpträumen, die verurteilte Giftmörderin und
ihr Opfer. Das würde ganz hervorragend in ihre Biografie passen.
»Wohin bringen wir sie?«, unterbrach die alte Kath Altheas panisches
Gedankenkarussell.
»In eines der Zimmer in unserem Gästehaus«, sagte Althea.
»Wir sollten die Polizei rufen«, fand Stefan.
»Du bist die Polizei, Herr Kommissar«, sagte Katharina.
Maximilian half nach Kräften, seine Oma zu tragen.
Vier Leute waren besser als zwei. Sie eilten über den Rasen,
Friederike zwischen sich. Das Gästehaus mit seinen Zimmern lag auf der dem See
zugewandten Seite. Niemand begegnete ihnen.
Althea drückte den Lichtschalter. Ein kleiner Raum mit einem
Bett, einem Nachtschränkchen, einem Schrank und einer Kommode war zu erkennen.
Sie setzten Friederike in einen Sessel, und Althea schlug die Bettdecke zurück.
»Wir ziehen ihr die Kleider aus, wir müssen sie waschen.« Althea sah
erst Stefan und dann Maximilian an. »Keine Empfindlichkeiten, bitte!«
»Tante Marian, der Junge ist erst zehn«, wandte Stefan ein.
»Er hat seine Oma schon in einer – na, sagen wir – eindeutigeren
Situation gesehen. Und hinterher wird sie es gar nicht mehr wissen. –
Maximilian?«, vergewisserte sich Althea.
»Klar, Zeit für Helden«, erwiderte er mit einem schiefen Lächeln.
»Was hast du in deiner Klosterapotheke?«, fragte Kath, die begonnen
hatte, Friederike zu entkleiden.
»Atropin, aber ich darf es nicht spritzen. Natriumsulfat, aber das
wird nicht genügen. Die Sanitäter abwarten können wir nicht – dafür ist es zu
spät.«
»Wir nehmen das Atropin. Ich darf es spritzen«, sagte Katharina
Venzl. »Ich bin ausgebildete Krankenschwester. Und im Zweiten Weltkrieg ging es
schlimmer zu.«
»Im Zweiten Weltkrieg?«, fragte Maximilian mit großen Augen. »Ist
aber schon ein bisschen her, oder?«
»Du kannst mir ja die Hand halten«, meinte die alte Kath.
Althea lief ins Küchengebäude, wo sie den Wasserkocher
anschaltete. Das heiße Wasser füllte sie in eine Stahlschüssel, dazu nahm sie
noch einen Stapel ausgekochte Geschirrtücher, die als Handtüchter taugen
mussten.
Ihr kleiner, aber gut gefüllter Apothekenschrank befand sich in
einem abschließbaren Raum. Althea angelte nach dem Schlüssel, der unter einer
Marmorbodenplatte versteckt war. Sie holte abgepackte Spritzen heraus, dazu
Alkoholtupfer, stopfte alles in eine Tasche ihrer Kutte und verschloss das
Schränkchen wieder.
Wasserbespritzt kam sie zurück ins Gästehaus. Bis das Wasser ein
wenig abgekühlt war, würde Kath Friederike das Atropin in die Vene injizieren.
Althea und Stefan hielten die ehemalige Richterin fest. Kath tauchte
ihre Hände in das heiße Wasser, riss das Plastik von der Spritze und tupfte den
Arm der Patientin mit Alkohol ab. Vorsichtig ließ sie die Nadel unter die Haut
gleiten und injizierte die farblose Flüssigkeit. »Das waren fünf Milligramm,
und in zwei Stunden mache ich das Gleiche noch einmal.«
Dann rieben sie Friederikes Körper ab, die Ausdünstungen rochen
übel.
Stefan hatte einstweilen die vorhandenen Spurenanhaftungen an der
Kleidung gesichert.
Er deutete auf die eingetütete Kleidung. »Was für ein wunderbarer
Scheiß-Tag!«, sagte er. Althea schaute ihn an. Das hatte er nicht nur so
dahingesagt, genau das hatte er sagen wollen. »Ja, wirklich«, bekräftigte er.
Von draußen war plötzlich anhaltendes Rufen zu hören. Immer
wieder schrie jemand Altheas Namen. Es hörte sich fast verzweifelt an, und sie
erkannte Schwester Jadwigas Stimme, nur war sie ungewöhnlich schrill.
Althea deutete nach draußen. »Bin sofort zurück …«, sagte sie und
eilte davon. So hatte sie die Priorin noch nie erlebt.
»Althea, dem Himmel sei Dank! Was … was treibst du im Gästehaus?«
»Die Vergangenheit ist nur selten vergangen«, sagte Althea. »Ich
würde dich hereinbitten, aber …« Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass die
Priorin an eine ganz andere Vergangenheit denken musste. Die mit den entblößten
Männerhintern.
»Bitte mich herein. Ich werde es bestimmt verstehen. Aber jetzt geht
es um Tobi Tümmler, und ich glaube, er braucht dich.«
»Was würdest du verstehen? – Und wie kommst du auf Tobi?«
»Manches Mal, da … Oh!« Die
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