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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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abgeblieben ist.«
    Christoph lehnte
sich zurück. »Es ist gut, dass Sie Ihr Gewissen befreien. Warum haben Sie
Rebecca Ehrenberg zu Rantzau so übel zugerichtet?«
    Wulf Hauffe fuhr
sich mit der Hand über das aschgraue Gesicht.
    »Unsere Tochter litt
darunter. Ständig begegnete ihr Rebecca als leuchtendes Beispiel. Die
Rantzau-Tochter konnte dieses, konnte jenes. Überall wurde sie als Wunderkind
hoch gelobt. Dazu kam sicher auch ihr exotisches Aussehen. Und mit ihrem
Adoptivvater im Hintergrund standen ihr alle Türen offen. Unsere Maike ist ein
ganz normales Mädchen, das mit ein paar – zugegeben – schwierigen Bedingungen
in der Familie zurechtkommen muss.« Hauffe beschrieb mit seinen Händen einen
großen Kreis in der Luft. »Erinnern Sie sich an die Apartheid in Südafrika?
Dort gab es drei Gesellschaftsschichten. Die Weißen, die Schwarzen und die
›Coloured‹, wie die Einwohner mit asiatischen Wurzeln genannt wurden. Die
hatten mehr Rechte als die einheimische Urbevölkerung. Rund um den Globus
gelten die Schwarzen als die Underdogs. Und selbst Maike hat darunter gelitten.
Nehmen Sie Nico von der Hardt. Ein wahres Chamäleon. Einerseits verehrt ihn
Maike wegen seiner vorgeblichen Unabhängigkeit. Er verkörpert aus der
Sichtweise der anderen Schüler so etwas wie die Freiheit. Andererseits ist er
ein schlimmer Finger gegenüber allen Menschen, die anders aussehen. Ich selbst habe
diese Auseinandersetzung oft mit ihm ausfechten müssen. Auch wenn man es mir
nicht anmerken konnte und ich ohne Gesichtsverlust vor den Schülern
davongekommen bin, hat es mich tief getroffen. Übrigens war Ina Wiechers einmal
Zeugin einer solchen Szene. Statt meine Partei zu ergreifen und sich in die
Auseinandersetzung einzuschalten, hat sie mit einem fast spöttischen Grinsen
der Angelegenheit beigewohnt.«
    Große Jäger
schüttelte heftig den Kopf. »Das ist starker Tobak. Da zerstören Sie einem
jungen Menschen aus Neid die Zukunft. Mensch, ich könnte …« Er ließ seinen
Gedanken unausgesprochen.
    »Rebecca! Rebecca!
Oh, wie ich das gehasst habe. Dieses Mädchen wurde von allen hochgejubelt. Es
schien, als würde sie auf einem Denkmal stehen. Und in dessen Schatten
verschwanden die anderen. Sie ist doch kein Wunderkind, nur weil sie mit dem
Geld und den Verbindungen eines Professor Ehrenberg Träume verwirklichen
konnte, die Maike nicht offenstanden.« Hauffe trommelte mit den Fingern auf der
Tischplatte. Sein Blick war ins Leere gerichtet. »Die Vorwürfe meiner Tochter
haben mich bis in den Schlaf verfolgt. ›Warum die?‹, klagte mich Maike an.
Rebecca war erfolgreicher, erzählte von den Kontakten ihres Vaters, von der
Förderung ihres Talents. Die Jungs waren hinter dem Mädchen her. Und auch im
Kollegium war sie das Maß, an das andere Schüler nicht heranreichten.« Hauffe
hielt ein. Er fuhr sich bedächtig mit der Hand übers Gesicht. Dann schüttelte
er sich, als würde er wie aus einer Trance erwachen. »Ich weiß nicht, was über
mich gekommen ist. Plötzlich war der Zwang da, Rebecca von ihrem Sockel zu
stoßen.« Er sah Christoph an, als würde er ihn um Verständnis bitten. »Ich
konnte mich nicht dagegen wehren. Es musste sein.«
    Christoph hatte
Zweifel, ob Hauffe immer im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gehandelt hatte.
Doch darüber hatten Ärzte zu befinden. Große Jäger schien den gleichen Gedanken
zu verfolgen. Unbemerkt von Hauffe schwenkte der Oberkommissar die Hand vor
seiner Stirn, um Christoph zu signalisieren: Der ist doch plemplem.
    »Was war das
Tatwerkzeug?«, fragte Christoph.
    Der Lehrer
antwortete ganz leise, kaum wahrnehmbar: »Das Radkreuz aus meinem Auto.«
    »Wie sind Sie darauf
gekommen? Das klingt sehr exotisch.«
    »Ich weiß es nicht.
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.«
    »So etwas wie Sie
sollte Bundeskanzler werden«, knurrte Große Jäger. »Da gab es auch Vertreter
mit Erinnerungslücken.«
    Sie blickten auf,
als Maike wieder in den Raum zurückkehrte. Sie hielt die Hände vor den Bauch.
    »Wie geht’s dir,
meine Kleine?«, fragte Hauffe mit besorgter Stimme.
    »Schlecht«, kam es
kläglich über Maikes Lippen. Sie hatte sich ein Glas Cola mitgebracht und
nippte daran. Dann setzte sie sich auf den freien Stuhl neben ihrem Vater.
    Christoph überlegte,
ob sie das Verhör in Gegenwart des Mädchens fortsetzen sollten. Maike ließ sich
bestimmt nicht fortschicken. Und ob Hauffe seinen Redefluss nach einer
Unterbrechung und gar in Husum auf der Polizeidirektion

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