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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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in einem solchen Brief.« Sureres Tonfall war immer noch scherzhaft, aber doch war eine gewisse Schärfe herauszuhören, die Huy als Warnung verstand. Woher nahm dieser Mann nur seine Selbstherrlichkeit? Er hatte keine Macht über Huy, der ihn durch ein einziges Wort an Merymose vernichten könnte. Aber Verrat lag nicht in Huys Natur. Er schaute sich in dem kargen Raum um, in dem sie jetzt standen; es war eine niedrige, dunkle, enge Kammer mit einem finsteren kleinen Fensterchen, durch das ein verlegener dünner Lichtstrahl hereinsickerte. Er fiel auf einen rohen Tisch und zwei Schemel. Auf dem Tisch standen ein Wasserkrug und zwei Holzbecher, eine kleine Schale mit Salz und ein dunkler Brotlaib. Die Wände waren nicht gestrichen, sondern lehmbraun und ohne jede Verzierung; auch Regale gab es nicht. Kein Tisch stand neben dem einfachen, niedrigen Bett in der Ecke, dem einzigen anderen Möbelstück im Raum.
    »Wie lange bist du schon hier?« fragte Huy.
    »Dreißig Tage.«
    »Und wie lange willst du noch bleiben?«
    »Bis ich reisefertig bin. Meine Vorbereitungen sind schon weit gediehen; aber um einige Dinge muß ich mich noch kümmern.«
    »Nämlich?« Huy bemühte sich, die Schärfe in seinem Ton zu mildern. Er bereute seine schroffe Frage, aber Surere schien es gar nicht bemerkt zu haben.
    »Um die einfache Frage, Geldmittel zu beschaffen. Selbst hier gibt es Leute, die dem Neuen Denken die Treue bewahrt haben. Es wundert mich, daß du nichts davon weißt.«
    Huy wunderte es auch. Wenn es hier in der Südlichen Hauptstadt ein Netzwerk ehemaliger Hofbediensteter Echnatons gegeben hätte, so wäre ihm das sicher nicht entgangen. Aber vielleicht bewegte sich Surere sogar als entflohener Sträfling noch in höheren Kreisen, als sie ihm offenstanden.
    Irgendwoher hatte Surere sich eine Perücke beschafft, deren Haar sich teils hoch auf seinem Kopf türmte, teils über Rücken und Schultern fiel. Sie war rabenschwarz, und eine dünne Schnur aus Goldfäden mit Opalen war hineingeflochten. Er trug eine hellgelbe Tunika, die bis an die Knie reichte, und seine Füße steckten in Ledersandalen mit verzierten Metallschnallen. Wer es auch sein mochte, der sich um Surere kümmerte, an Geld mangelte es ihm nicht.
    »Du bewunderst meinen Aufzug«, stellte Surere lächelnd fest.
    »Der Quell, aus dem du deine Mittel schöpfst, ist offenbar ein ziemlich reicher.«
    Wieder spreizte Surere die Hände. »Es gibt Leute hier, die sich an mich erinnern, die mir Gefälligkeiten schuldig sind und das nicht vergessen haben.«
    Huy fragte sich allmählich, ob die Gemeinschaft, die Surere unterstützte, wirklich aus heimlichen Anhängern des Neuen Denkens bestand, oder ob es nicht vielmehr Männer waren, die seine sexuellen Neigungen teilten. Das Schwarze Land hatte es nie verdammt, wenn Männer oder Frauen Angehörige des eigenen Geschlechts liebten. Und wie man wußte, bildeten Minderheiten gern Bruderschaften, die einander Gefälligkeiten erwiesen, wo sie konnten. Einem entsprungenen Politischen von Sureres Bedeutung Unterschlupf zu gewähren, ging allerdings über das übliche Maß solcher gegenseitigen Hilfeleistungen hinaus.
    »Und doch wohnst du bescheiden«, sagte Huy und deutete auf die Kammer.
    Sureres Blick verhärtete sich. »ja. Es ist nötig. Vergiß nicht, ich muß mich verstecken. Ich kann nicht anfangen, wieder zu leben wie früher. Aber da gibt es noch einen Grund. Ich muß mich für meine neue Bestimmung abhärten.«
    »Für die Wüste?«
    »Ja.«
    Huy merkte, daß Surere in völligem Ernst sprach und fragte sich, wie die Veränderungen, die sich in der Südlichen Hauptstadt ereignet hatten und denen Surere nach so langer Abwesenheit jetzt ausgesetzt war, sich auf ein so unbeugsames Herz auswirken mochten.
    »Aber die Zeit in den Steinbrüchen muß doch deine Muskeln gestärkt haben.«
    »Das hat sie. Aber auch meine Willenskraft muß gestärkt werden. Fleisch und Wein sind große Verlockungen. Aber diese Dinge gehören meiner Vergangenheit an. Ich habe eine neue Mission.« Surere beugte sich vor, und zum erstenmal wurde sein Gesicht von dem schmalen Lichtstrahl beschienen, der durch das Fenster fiel. Seine Miene war entschlossen. Nicht ein Hauch von Ironie lag in seinem Gesichtsausdruck oder seinem Blick.
    »Welche denn?« fragte er etwas vorsichtiger.
    »Unserem Volk den Zustand glücklicher Unschuld zurückzugeben, dessen es sich unter dem alten König erfreute.«
    »Das sind gefährliche Reden. Und war es denn je ein

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