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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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hinweg, und nach Süden durch die Wälder bis hin zum Meer.«
    Huy sah ihn an. Jenseits des Großen Grünen und der Länder unmittelbar nördlich davon, das wußte er, lag das Ende der Welt. Eine Felsenküste, wilde Inseln, weit verstreut.
    Und die Wälder im Süden waren noch nie durchquert worden. Auch dort war die Welt zu Ende.
    »Und was ist aus ihnen geworden?« fragte Huy.
    »Die letzte Prinzessin wurde zu früh geboren und überlebte nicht. Die älteste, die der König, ihr Vater, ebenfalls geheiratet hatte, wurde später die Gemahlin seines Nachfolgers Semenchkare. Die zweite Tochter starb als kleines Mädchen, die fünfte und die sechste Prinzessin, die ihre Kindheit im Königspalast der Südlichen Hauptstadt verbrachten, waren buchstäblich Gefangene Haremhebs, so wie auch ihre Tante, Nezemmut, Nofretets jüngere Schwester; zwar behandelte man sie mit aller Ehrerbietung, die ihr Rang verlangte, aber sie durften den Palast nur unter der Bewachung von Haremhebs Leuten verlassen. Die vierte Tochter, die am Flußufer ein Kind in einem Binsenkorb gefunden und darauf bestanden hatte, den Kleinen zu adoptieren, heiratete Burraburiasch von Babylon und hat das Schwarze Land längst verlassen. Ihr Adoptivsohn hat inzwischen die Offizierslaufbahn in der Armee der Nordgrenze eingeschlagen.«
    »Eine der Prinzessinnen ist mit unserem derzeitigen König verheiratet«, sagte Huy leise. Die dritte Schwester, Anchsenpaaton, war Tutenchaton als Kindbraut angetraut worden. Als er Pharao wurde, hatten beide zu Ehren der Alten Religion ihre Namen geändert - er in Tutenchamun, sie in Anchsenpaamun. Der alte Gott der Südlichen Hauptstadt, Amun, seine Frau Mut, der Geier, und sein Sohn Chons, der Mondsegler, waren in triumphaler Dreifaltigkeit zurückgekehrt.
    »Ja!« sagte Surere verbittert. »So ehrt sie das Andenken ihres Vaters. Es wäre besser, sie wäre auch gestorben.«
    »Das darfst du nicht sagen.« »Doch, ich darf! Ich bin ermächtigt, es zu sagen.«
    »Wer hat dich dazu ermächtigt?«
    »Ich will es dir sagen: der König.«
    Huy sah ihn aufmerksam an; er wußte nicht recht, wie er reagieren, ja, was er denken sollte. Surere erwiderte seinen Blick offen und freundlich. Seine Augen glänzten. Es waren die Augen eines Wahnsinnigen.
    »Welcher König hat dich ermächtigt?« fragte Huy vorsichtig; eine befremdliche Spannung lag in der Luft, und er wollte sie nicht noch vergrößern.
    »Echnaton.« Sureres Blick blieb fest, und der triumphierende Ausdruck verstärkte sich. »Siehst du? Er hat uns nicht verlassen. Huy, gib deinen Zynismus auf. Kehre nicht zurück zu den alten Göttern.«
    Huy saß starr auf seinem Schemel, und das Herz wollte ihm stillstehen. Niemand konnte ausschließen, daß der alte König wirklich zurückgekehrt war. Aber warum jetzt? Und warum zu Surere?
    »Du bist sicher?« Er wußte, wie banal diese Frage war, kaum daß er sie gestellt hatte; aber Sureres Stimmung änderte sich deshalb nicht.
    »Ich weiß es so sicher, wie dieses Wasser vor mir steht.«
    »Und wie sah er aus?«
    Surere machte eine ungeduldige Handbewegung. »So wie er immer aussah. Glaubst du, ich habe nur seinen Ba gesehen? Glaubst du, der König hat nur noch seinen Ba ? Ein kleines, gefiedertes Ding mit einem Menschenkopf? Nein, er war es selbst, in seinem eigenen Körper, die Acht Elemente wiedervereinigt.«
    »Wo hast du ihn gesehen?«
    Surere blickte ihn plötzlich verschlagen an. »Zu viele Fragen, Brüderchen. Nein - jetzt werde ich reden, und du wirst zuhören.«
    Huy spreizte die Hände.
    »Seine Tochter hat ihn enttäuscht; deshalb hat sie keine Kinder«, fuhr Surere fort. »Das war das erste, was er mir erzählt hat. Es bestürzt ihn, was so kurz nach seiner Abreise zu den Feldern von Aarru aus dem Schwarzen Land geworden ist. Deshalb fand er dort keine Ruhe. Er hört unablässig die Stimme seines Volkes, wie es ihn ruft. Und jetzt ist er zurückgekehrt, um ihm zu helfen, und zwar durch seine auserwählten Jünger.«
    Surere hielt inne, um zu sehen, welche Wirkung seine Worte auf Huy hatten. Huy saß stumm da und hoffte, daß sein Gesicht nicht verriet, was er dachte.
    »Mein eigener Instinkt war richtig, Brüderchen«, fuhr Surere fort, und wieder benutzte er den ungewohnten Kosenamen. »Auch ich bin vom Pfad der wahren Gerechtigkeit abgewichen und habe die Menschen für meine eigenen Zwecke benutzt. Ich sehe jetzt, daß ich damit unrecht getan habe; aber als ich dem König erklärte, daß ich immer noch in den

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