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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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gleiche Unschuld, dachte er, die gleiche nahezu vollkommene Regelmäßigkeit der Züge fand sich auch bei Mertseger, die zwei Schritt weiter mit der Geduld des Todes darauf wartete, daß sie für die Felder von Aarru bereitgemacht wurde.
    »Ich muß ihren Rücken sehen«, sagte er, nachdem er die Leiche eine Zeitlang schweigend untersucht hatte.
    »Das geht nun wirklich nicht.«
    Huy tat den Einspruch des Einbalsamierers wortlos mit einem schroffen Blick ab und winkte die beiden Gehilfen heran. »Kommt schon. Sie kann ja nicht schwer sein.«
    Die Gehilfen blickten zwischen Huy und ihrem Meister hin und her, und dieser nickte zustimmend. Es war schwieriger, als sie gedacht hatten, weil die Glieder so steif waren. Sie packten den Leichnam beim Kopf und bei den Füßen und schafften es schließlich. Huy betrachtete sorgfältig den Rücken des Mädchens und fand, was er suchte. Wenn bloß Nebenehem sich genau erinnerte, dann könnte er zweifelsfrei feststellen, welches der Mädchen in der Stadt der Träume gewesen war und wenn der Mörder sie dort besucht hatte und identifiziert werden könnte... Na, es wäre immerhin ein Fortschritt.
    Er bedankte sich mit einem Kopfnicken, und die Männer legten die Tote wieder auf den Rücken. Der Meister half ihnen, die Planken wieder anzubringen, und debattierte dann umständlich darüber, ob das alte Natron zusammengefegt und wiederverwendet werden oder ob man nun frisches Salz nehmen müsse. Während er noch überlegte, hatte Huy plötzlich einen neuen Einfall. Er beugte sich über den Rand des Troges und betastete Bauch und Brüste des Mädchens.
    »Was machst du da?« fragte der Einbalsamierer empört.
    Huy schob die Hand unter die kleinen Brüste und hob sie hoch. Unter der linken befand sich, kaum sichtbar, ein winziger Einstich. Rasch ging er hinüber zu Iritnofrets Leiche. Die Haut unter den Brüsten war runzlig und gedunkelt, und man konnte nichts mehr erkennen; dann eilte er zu Mertseger. Unter ihrer linken Brust, deren helle Haut gerade erst im Tode zu welken begann, war ein winziger dunkelroter Punkt, nicht größer als ein Sandfloh.

    Mit seinen neuen Erkenntnissen gerüstet, eilte Huy zurück ins Stadtzentrum. Aber Merymose war nicht zu finden. Weil er es für möglich hielt, daß der Medjay ihm eine Nachricht hinterlassen hatte, ging Huy nach Hause. Aber dort war der Polizeihauptmann offenkundig nicht gewesen. Huy wollte gerade zur Stadt der Träume weitergehen, als eine Rikscha, deren leinene Sonnensegel rund um den Fahrgastsitz heruntergelassen waren, über den Platz gesaust kam, jäh vor ihm anhielt und ihm den Weg versperrte.

    Surere sah schon wieder viel eleganter aus, fand Huy, während er ihn von Kopf bis Fuß musterte und versuchte, die Unterwürfigkeitsgefühle zu verdrängen, die ihn immer noch überkamen, wenn er sich seinem früheren Vorgesetzten gegenübersah. Surere hatte vermutlich nach ihm geschickt, weil er seine Hilfe brauchte; warum tat er also so, als gewähre er Huy eine Gunst?
    »Es war riskant, einen Brief zu mir nach Hause zu schicken«, sagte Huy.
    Surere spreizte die Hände. »Es wäre riskanter gewesen, dich dort zu besuchen. Und der Junge, der mir als Bote diente, kann nicht lesen -immerhin ein Vorzug des niederen Packs.«
    Huy schürzte die Lippen. Noch nie hatte er die Unverfrorenheit leiden können, mit der Surere die Menschen benutzte. Und noch weniger gefiel es ihm, wie die Menschen sich stets von ihm benutzen ließen. Er erinnerte sich, wie er vor Jahren einmal mit einem Schreiberkollegen darüber gesprochen hatte, als sie in einem der sonnendurchfluteten Höfe des Großen Archivs in Achetaton standen.
    »Ich kann seine Herrscherallüren nicht ausstehen, aber ich bewundere seine moralische Haltung. Und es ist das Recht solcher Menschen, sich über andere zu erheben«, hatte der andere Schreiber heiter erklärt und Huys Arger damit nur noch weiter geschürt. Dennoch war Huy jetzt Sureres Ruf gefolgt und hatte sich sogar dem drängenden Bitten des Boten gefügt und die Vorhänge der Rikscha geschlossen gehalten, so daß er nicht sehen konnte, wohin er gebracht wurde. Sie hatten eine weite Strecke zurückgelegt, ehe sie vor einer Tür in einer langen, abweisenden Mauer anhielten. Der Bote, der den Brief überbracht hatte, ein junger Mann von düsterem Ernst mit zusammengewachsenen Brauen, hatte auf dem ganzen Weg verbissen geschwiegen. Und jetzt dieser Raum.
    »Du hast mir nicht mitgeteilt, was du willst.«
    »Das wäre töricht gewesen,

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