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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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Granitsteinbrüchen wäre und seinem Gebot nicht folgen könnte, hätte ich nicht zu solchen Mitteln gegriffen, da verstand er mich und verzieh mir. Ich hatte recht mit dem, was ich über das Schwarze Land sagte. Ohne die moralische Kraft des Neuen Denkens wird es wieder in die alte Korruption verfallen. Bedenke doch, Huy, zweitausend Jahre lang haben wir in Finsternis gelebt; nur zehn Jahre lang hat das strahlende Licht uns erleuchtet, bevor es wieder verlosch. Wir haben nun die Aufgabe, es neu zu entzünden. Willst du mir nicht dabei helfen?«
    Er schwieg wieder, und diesmal erwartete er offensichtlich eine Antwort. »Gern«, antwortete Huy zurückhaltend. »Aber mein Platz ist nicht in der Wüste. Sicher gibt es doch auch hier etwas zu tun.«
    Surere machte eine wegwerfende Gebärde. »Die Hauptstädte sind dem Untergang geweiht. Und als erste wird die Südliche Hauptstadt fallen, die der Sitz des - ich bringe es kaum über mich, seinen Namen auszusprechen - des Amun ist, des Falschen, des Heuchlers. Es ist eine Stadt der vergeblichen Träume, mein Freund. Und ohne das Wahre Licht ist das Schwarze Land verdammt.«
    »Und das hat der König dir alles gesagt?« Huy fror. Draußen schien immer noch die Sonne, obwohl ihr Licht mit dem Nahen des Abends ein wenig von seiner Kraft verloren hatte und es dunkler und kühler im Zimmer wurde. Er sah, wie eine Eidechse verstohlen zwischen Wand und Decke dahinhuschte und in einer Ritze verschwand.
    »Ich habe ihm meine Gedanken dargebracht. Ich habe ihm mein Herz geöffnet, und er hat mir seinen Segen gegeben.«
    »Hat er dir auch etwas befohlen?«
    Surere sah einen Moment lang verstört aus, aber bald hellte sich seine Miene wieder auf. »Ich weiß, daß er das noch tun wird, sobald es ihm beliebt.«
    »Und wo wird er dir seine Befehle geben? In der Wüste?«
    »Wenn es ihm beliebt. Er schaut mit Wohlgefallen auf meinen Plan.«
    »Du hast Anhänger um dich gesammelt, nehme ich an?«
    Surere lächelte mit heiterer Gelassenheit. »Ich werde meine Gemeinde gründen, und die Menschen werden herbeiströmen. Der König wird mir helfen.«
    Huy sah ihn an. »Ich habe noch eine letzte Frage.«
    »Ja?«
    »Warum hast du mein Haus verlassen? Wußtest du, daß die Medjays es durchsuchen wollten?«
    Surere lächelte. »Dazu brauche ich nicht des Königs Anleitung. Ich wußte, daß sie früher oder später kommen würden. Ich sah, daß sie dein Haus beobachteten, und floh durch die Hintertür. Als Gefangener lernt man, gerissen zu sein.«
    »Wer hilft dir jetzt?«
    »Ich sage doch, man schuldet mir Gefälligkeiten.«

    Dieselbe geschlossene Rikscha brachte Huy zurück in die Stadt, aber nicht zu seinem Haus. Der verschwiegene Bote, der ihn zu Surere gebracht hatte, setzte ihn nun am verlassenen Hafen ab.
    »Danke«, sagte Huy. Er verstand, weshalb er ihn hier in diesem dichten Gassengewirr aussteigen ließ. Aber Surere unterschätzte Huys Kenntnis des Hafenviertels. Es würde ihm nicht schwerfallen, mit der Rikscha Schritt zu halten und ihr zu folgen, wohin sie auch fuhr, selbst jetzt, wo die herabsinkende Dunkelheit Schattengassen erschuf, wo in Wirklichkeit keine waren, und wo das Auge den Sinnen nicht selten einen Streich spielte.
    Der Bote bewegte sich so schnell, daß Huy den Knüppel praktisch nicht kommen sah, der durch die Luft auf seine Kehle zusauste. Der Schlag traf ihn mit voller Wucht, ihm wurde schwarz vor Augen, und nach Luft schnappend flog er der Länge nach in den Staub und rollte ein Stück weiter. Spuckend und prustend bezähmte er seine zuckenden Glieder, und während er sich mühsam auf die Unterarme stützte, hörte er das schnelle Getrappel des Rikschaführers und das Davonrollen der Räder.
    Als Huy wieder auf den Beinen stand und sich umdrehte, war der Platz leer. Offenbar war Sureres Vorsicht immer noch größer als sein Wahnsinn.
    Huy wollte nach Hause, wollte baden, die Erschöpfung von sich abwaschen und Ordnung in seine Gedanken bringen. Ihm war, als seien schon mehrere Tage vergangen, seit er die Leichen der Mädchen in ihrer gewaltsam herbeigeführten Ruhe in der Halle des Einbalsamierers gesehen hatte. Was Surere anging, so hatte er geglaubt, der Mann habe die Südliche Hauptstadt längst verlassen. Was er nun entdeckt hatte -daß er noch hier war, daß sein Herz in dieser unheimlichen Zelle, die er da bewohnte, Zeit gefunden hatte, sich noch tiefer in seine Besessenheit einzugraben, und daß er glaubte, Kontakt mit dem toten König zu haben -, das waren

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