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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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angestellt haben? Nichts deutet darauf hin, daß eines der Mädchen sich gewehrt hätte.«
    »Was glaubst du?«
    Merymose spreizte die Hände. »Daß sie sich vielleicht nicht wehren wollten?«
    »Meinst du, sie hatten Drogen bekommen?«
    »Vielleicht noch einfacher. Vielleicht haben sie ihm vertraut.«
    »Was - einem, der ihnen das Messer ins Herz sticht?«
    Huy zuckte die Achseln. »Vielleicht haben sie sich umarmt... Wahrscheinlich dachten sie nicht im Traum daran, daß er ihnen etwas antun würde.«
    »Aber warum?«
    »Wenn wir die Antwort darauf wüßten... «
    »Vielleicht war es ein Wahnsinniger, der gar kein Motiv hatte. Wo bleiben wir dann?«
    »Oh«, sagte Huy, »ich glaube, es gibt ein Motiv. Wie abwegig dieses Motiv auch sein mag, ich bin davon überzeugt, daß es eins gibt.«
    »Der einzige Anhaltspunkt, den wir haben, ist, daß die Mädchen auf die gleiche Weise ermordet wurden.«
    »Aber es gibt noch mehr Übereinstimmungen: Alle sind von ähnlicher Herkunft, sie alle haben auf dem Palastgelände gewohnt und sind Töchter reicher Beamter. Alle waren im gleichen Alter, und alle sahen... so unschuldig aus.«
    »Aber was ist mit ihrem Charakter? Iritnofret war ein Wildfang, aber sie hat nichts Böses getan. Neferuchebit... na ja, wenn es stimmt, was du sagst... « Er ließ den Satz unvollendet.
    »Ich glaube, es stimmt. Die Bordellwirtin hatte keinen Grund, mich zu belügen, und ich habe mit den anderen Kunden gesprochen, die sie dort gesehen haben.«
    »Wie konnte sie nur so etwas tun?« Merymoses Stimme war rauh.
    Huy sah ihn an. »Du hast genug durchgemacht, um zu wissen, wie diese Welt aussieht.«
    »Ich muß an meine eigene Tochter denken. Auch ihr war es nicht vergönnt, zur Frau heranzuwachsen.« Er sah Huy an, und zu dessen Überraschung glänzten Tränen in den Augen des Polizisten. »Ich werde ihn kriegen, diesen Sproß des Seth.«
    Huy war inzwischen sehr unbehaglich zumute. Er hatte es von Minute zu Minute herausgeschoben, Merymose von Surere zu erzählen, weil er den richtigen Moment abwarten wollte. Jetzt fragte er sich, ob dieser Moment je käme. Aber wollte er sich nicht die Feindschaft des Mannes zuziehen, mußte er es ihm sagen, so wie er es sich vorgenommen hatte.
    »Was ist mit dem dritten Mädchen?« fragte er erst. »Mertseger. Was hast du von den Eltern erfahren können?«
    Merymose seufzte. »Sehr wenig. Sie wissen von nichts, schon gar nicht von einem Liebhaber. Wenn man mit ihnen redet, könnte man meinen, sie hätte immer noch mit ihren Puppen gespielt. Sie war ihr einziges überlebendes Kind. Sie waren schon alt, als sie es bekamen.«
    »Da ist noch etwas, was ich dir erzählen muß«, sagte Huy. »Etwas, das ich dir verschwiegen habe, obwohl ich es nicht gedurft hätte. Ich hätte es dir schon vor Tagen sagen sollen.«
    Merymose sah ihn an. »Das überrascht mich.«
    Huy reckte die Schultern. Wie sollte er nur seine Gefühle erklären, sein langes Schweigen und die Gründe dafür? Würde Merymose, der selbst von Echnaton so furchtbar im Stich gelassen worden war, auch nur eine Spur Mitgefühl aufbringen können? Was Huy als Loyalität empfunden hatte, war in seinen Augen womöglich schlichtweg Hochverrat. Die Tatsache, daß Surere behauptete, in Kontakt mit dem Geist des toten Königs zu sein, hatte jedoch nicht nur den Ausschlag für Huys Entschluß gegeben, Merymose alles zu erzählen, sondern befreite Surere paradoxerweise auch von jedem Verdacht, gegen die wiedereingesetzte alte Ordnung im Schwarzen Land zu konspirieren. Denn die Besessenheit des wahnsinnig gewordenen ehe* maligen Beamten richtete sich nicht darauf, seinen Gott Echnaton hier im Schwarzen Land zu rächen, sondern galt allein der Wiedererweckung des Neuen Denkens an einem fernen Ort. Aber so machtbesessen und verschlagen Surere auch sein mochte - gleichzeitig wohnte in ihm eine unschuldige, tiefe Religiosität. Und wenn er, so fragte sich Huy plötzlich, gar nicht verrückt war, sondern tatsächlich Kontakt mit dem Geist des alten Königs hatte...? Nun, so etwas war schon vorgekommen; und wenn je ein Monarch keinen Frieden in den Feldern von Aarru fände, dann Echnaton.
    Stockend legte Huy alle seine Gedanken dar, so gut er konnte. Merymose lauschte seinem Bericht mit unbewegter Miene, und Huy wünschte sich, er zeigte zumindest irgendeine Regung. Zorn oder Mißbilligung hätte er leichter ertragen können als die starre Maske des Polizisten. Außerdem verdroß es ihn, daß er Gefahr lief, seine

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