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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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Unabhängigkeit zu verlieren, jetzt, da er sich auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen Merymoses auslieferte. Am Ende seines Berichts angelangt, mußte er an das Schicksal des Steinhauers Chaemhet denken, der für die Steinbruchhäftlinge verantwortlich war, die ihm für die Reise von den Granitsteinbrüchen zur Südlichen Hauptstadt zugeteilt worden waren. Der Obelisk war fast fertig, und man hatte einen Platz in der Nähe des Südtores zum Ptah-Tempel vorbereitet; die Barke, die den Stein gebracht hatte, war längst wieder zu den flußaufwärts gelegenen Steinbrüchen zurückgekehrt. Aber was war aus Chaemhet geworden?
    »Er wurde natürlich hingerichtet«, sagte Merymose und befrachtete Huys Gewissen mit einer zusätzlichen Bürde, an der er jedoch nicht zu schwer trug, denn, vor die Wahl gestellt, hätte Huy das Schicksal dieses Gefangenen stets mehr am Herzen gelegen als das eines Wärters.
    »Würdest du das Haus wiedererkennen?« Das war Merymoses einzige Frage.
    Huy schüttelte den Kopf. »Es war eine Tür wie tausend andere in einer Mauer wie tausend andere.«
    »Gewieft, wie du bist, hättest du doch durch die Vorhänge der Rikscha blinzeln können; hättest die Zeit messen können, die nötig war, um den Ort zu erreichen, hättest dir die Richtung merken können.«
    Huy nahm die Kritik schweigend hin. Es stimmte, er war durchaus in der Lage zu all dem; und mehr noch, die Maßnahmen, die Merymose da beschrieb, hätte er normalerweise instinktiv ergriffen. Vielleicht hatte er sie diesmal, ohne einen Grund dafür nennen zu können, absichtlich unterlassen.
    »Als ich auf dem Weg zu ihm war, hatte ich keine Ahnung, daß er sich mit seinen Erklärungen in den Kreis der Mordverdächtigen einreihen würde.«
    »Obwohl er vom Ideal der Unschuld besessen ist? Obwohl er die Eltern dieser toten Kinder als Verräter an seiner Sache betrachtet? Obwohl er dir gegenüber von Rache gesprochen hat?«
    »Ich kann seine Worte nicht mit Mordgedanken in Verbindung bringen. Er ist davon besessen, eine Gemeinde zu gründen, die dem Aton treu ist, weit weg von dieser Stadt. Er lehnt uns und unsere Werte ab.« Huy hatte die letzten Worte ganz automatisch gesprochen, aber als er sich so reden hörte, wurde ihm plötzlich bewußt, wie sehr er sich schon den Idealen der Welt, in der er jetzt lebte, verschrieben hatte.
    »Wir müssen ihn finden«, beharrte Merymose. »Ich teile deine Einschätzung nicht und kann die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Niemandem ist entgangen, daß ein ehemaliger leitender Beamter des Großen Verbrechers geflohen ist und daß gleichzeitig eine Serie von Morden - an den Kindern anderer ehemaliger Beamter des Großen Verbrechers - beginnt. Kenamun wird allmählich ungeduldig.«
    »Na, dank mir kannst du ihm ja ein paar Knochen zum Fraß vorwerfen«, erwiderte Huy. »Wir wissen, wie die Mädchen getötet wurden und daß sie ihren Mörder gekannt oder wenigstens ihm vertraut haben müssen. Und wenn es tatsächlich ein Mörder ist und kein Dämon, dann wissen wir, daß seine Motive, welche es auch sein mögen, weder räuberischer noch sexueller Natur sind. Irgendein seltsames Ideal bewegt ihn.«
    »Irgendein seltsames Ideal bewegt auch Surere«, entgegnete Merymose schroff. »Mein Herz sagt mir, wir brauchen ihn nur zu finden, und dann haben wir den Täter.«

    Merymose beteiligte Huy nicht an der nun folgenden Suche. Er gab keine Erklärung dazu ab, und Huy fragte nicht. Nachdem er ihm von seinem Kontakt mit Surere erzählt hatte, traute der Polizist ihm offenbar nur noch halb. Huy fragte sich, ob etwas von all dem bis zu Kenamun vorgedrungen war. Daß Merymose selbst dem Priester-Beamten irgend etwas erzählt hatte, hielt er für sehr unwahrscheinlich, denn als kleinen Trost für sein Selbstwertgefühl hatte er die Erlaubnis erhalten, mit den hinterbliebenen Familien im Palastbezirk zu sprechen. Huy sah darin den Beweis dafür, daß Merymose immer noch seine Hilfe brauchte, und er hoffte, es werde ihm gelingen, aus den Familien Informationen herauszuholen, die Merymose entgangen waren. Aber seine Hoffnungen wurden enttäuscht, denn die offizielle Gesprächsgenehmigung war eine Sache, die Auskunftsbereitschaft der Familien eine ganz andere. Seine eigene Beziehung zum Hof des Großen Verbrechers war kein Geheimnis, schon gar nicht bei diesen Leuten. Und hätte er ihnen seine Vergangenheit verheimlicht, währen sie wahrscheinlich noch verschwiegener und verschlossener gewesen.

    »Natürlich werde ich dir

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