Tod am Nil
Komplikationen, auf die Huy gut hätte verzichten können. Er war überzeugt davon, daß Surere mit den Morden an den Mädchen nichts zu tun hatte. Aber tief in seinem Inneren regte sich etwas, das diese Möglichkeit doch nicht ganz ausschloß. Aber Huy wollte diesen Gedanken keinen Raum geben, denn dann hätte er sich eingestehen müssen, daß er selbst, ohne es zu wollen, mitschuldig war.
Trotzdem war er hin- und hergerissen: Sollte er Merymose sagen, daß er Surere gesehen hatte, oder nicht? Würde er gefaßt, stünde dem ehemaligen Nomarchen die qualvollste aller Todesarten bevor: Man würde ihn pfählen. Welche Differenzen es zwischen ihnen auch geben mochte - konnte Huy es vor sich verantworten, daß ein ehemaliger Kollege einem solchen Ende zugeführt wurde? Er war froh, daß er nicht wußte, wo Sureres Versteck lag. Der Raum war so ärmlich gewesen, daß er in allen möglichen Stadtvierteln liegen konnte; aber Sureres Kleidung war fraglos luxuriös gewesen. Und wieso hatte er seine Beschützer als »widerstrebend« bezeichnet?
Huy schleppte sich nach Hause, aber da er dort noch immer keine Nachricht vorfand, zwang er sich, noch einmal auszugehen und sich zur Stadt der Träume zu begeben. Als erstes würde er mit Nubenehem über die Entdeckung reden, die er am Morgen gemacht hatte. Das Bordell lag ganz in der Nähe, und wenn sich seine Vermutung als richtig erwies, dann hätte er dem Medjay noch etwas zu erzählen -nicht nur, wie die Opfer seiner Meinung nach getötet worden waren. Je länger er ging, desto stärker wurde seine Überzeugung, daß Merymose auch von Surere erfahren mußte. Ob der Medjay ihm glauben würde, daß er keine Ahnung hatte, wo der Mann sich genau aufhielt?
»Bist du geschäftlich oder zum Vergnügen hier?« fragte Nubenehem stirnrunzelnd von der Couch aus, auf der sie anscheinend wohnte. Ihre Fettrollen verschmolzen mit den Polstern,
und mehr denn je schien das ganze Möbel ein Teil ihres Körpers zu sein.
»Geschäftlich.«
»Aha. Also schlecht für mein Geschäft. Du solltest dir ein bißchen mehr Vergnügen gönnen, damit auch ich auf meine Kosten komme!« Schlechtgelaunt langte sie nach ihrem Schnapskrug und rülpste. Ein schaler Geruch hing in der Luft. »Ich habe den Eindruck, du kommst überhaupt nicht mehr zum Vergnügen hierher. Wenn du bloß reden willst, gibt es genügend andere Lokale, in die du gehen kannst. Allein mit Reden hat noch keine Biene Honig gemacht.«
»Ich will dich nach Nefi fragen.«
Der Blick der Frau wurde verschlagen. »Was soll mit ihr sein?«
»Ist sie noch mal zurückgekommen?«
»Nein. Aber überhaupt - ich dachte, du hättest sie gefunden.«
»Ich habe sie wieder verloren.«
Nubenehem entspannte sich. »Es gibt immer noch Kafy - sie verzehrt sich nach dir.«
»O ja. Auf Mins Erektion ist wohl auch kein Verlaß mehr.«
Nubenehem gackerte. »So solltest du nicht über die Götter reden.«
»Zurück zu Nefi«, sagte Huy behutsam.
»Ich habe sie nicht gesehen.«
»Ich möchte nur gern wissen, ob du dich an etwas Besonderes an ihr erinnerst?«
»Du hast sie mir doch beschrieben. Das war sie. Kleine Schlampe - lauter Babyspeck und Unschuld. Aber du hättest sie reden hören sollen. Ich sage dir, sogar ich war schockiert.«
»Aber sie war hübsch, nicht wahr?«
»Volle kleine Lippen. Eine freche kleine Zunge. Hat einem Mann die schönsten Freuden verschafft, die er diesseits der Felder von Aarru kriegen konnte.«
»Schade, daß du sie nie nackt gesehen hast.«
Nubenehem wurde wieder vorsichtig. »Worauf willst du hinaus, Huy? Natürlich habe ich sie nackt gesehen. Sie wollte hier arbeiten.«
»Hat sie sonst noch jemand gesehen?«
»Zwei der Kunden. Haben gepfiffen. Ich habe ihnen gesagt, sie sei noch nicht auf dem Markt.«
»Du hast dir nie ihren vollen Namen geben lassen?«
»Nein.«
»Immerhin, eins wird mir immer im Gedächtnis bleiben - die kleine tätowierte Katze gleich über ihrem Nabel.«
Nubenehem war wie vom Donner gerührt. »Dann reden wir nicht vom selben Mädchen.«
»Ach?«
»Nefi hatte wohl eine Tätowierung - wie alle Mädchen -, aber eine Katze war es nicht, und sie war erst recht nicht in der Nähe des Nabels. Es war ein Skorpion, und er saß versteckt auf ihrem Schulterblatt.«
S IEBEN
»Mit einer Nadel?« frage Merymose fasziniert.
»Ja. Oder mit etwas ähnlichem. Mit einem sehr feinen Meißel vielleicht, womöglich sogar mit dem Meißel eines Einbalsamierers«, sagte Huy.
»Aber wie kann er das
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