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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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freilegen. Wenn uns etwas übernatürlich erscheint, dann nur, weil wir es im Augenblick noch nicht verstehen können. Und Echnaton hatte viel gelehrt, aber keine Rache. Nichts hatte seiner Natur ferner gelegen als Rachegedanken. Aber der General war wie besessen von seiner Idee, die wie eine wundersame Salbe seine Gewissensbisse zu lindern schien. Das Mitleid für sein Kind wurde verschlungen von Selbstmitleid. Was seine Frau anging, so hatten die Heilkundigen ihr Drogen verabreicht; mit ihr war nicht zu reden. Sie lag auf einem Bett auf der Veranda vor der Tür ihrer Tochter und schlief - nur ihre Augen nicht: Die waren offen.

    Ipuky glaubte nicht daran, daß ein Dämon oder Gott bei den Morden seine Hand im Spiel habe. Er war so groß, dünn und kalt, wie der General klein, dick und emotional gewesen war. Sein langes graues Gesicht und die grauen Augen erinnerten Huy an Kenamun, obwohl der Priester-Beamte im Vergleich mit ihm geradezu überschwenglich wirkte. Der Raum, in dem er seine Gäste empfing, spiegelte seinen Charakter wider. Sparsam möbliert, sah er aus wie die Kammer eines asketischen Priesters. Die steifen Stühle und der Tisch waren aus teurem schwarzen Holz, importiert aus Punt, und der einzige Schmuck bestand aus einem einfarbigen Wandgemälde der Kobra-Göttin Wadjet, der Göttin der Stadt Buto im Delta.
    »Dir ist hoffentlich klar, daß ich dich nur auf Tahebs Bitten hin empfange, Huy«, war seine Begrüßung. »Du bist sehr hartnäckig.«
    »Ich versuche, herauszufinden, wer Iritnofret ermordet hat.«
    »Ich habe eigene Leute, die das tun, und ich habe Merymose gesagt, was ich weiß. Warum soll ich meiner Familie und mir weiteren Schmerz zufügen, indem ich dir das Ganze noch einmal erzähle?«
    »Weil es sein kann, daß du etwas vergessen hast, was dir erst jetzt einfällt.«
    »So redet einer, der im Dunkeln tappt«, sagte Ipuky mit einem verschlagenen Lächeln, das an die feine Reifschicht erinnerte, die in harten Frostnächten mitten im peret die Binsen am Flußufer überzog. Selbst Taheb gegenüber zeigte er nur reservierte Höflichkeit, und seinem Reichtum zum Trotz, wurde nur das Allernötigste an Brot und Bier als Gastspeise aufgetragen.
    »Hast du persönlich jemanden in Verdacht?«
    Wieder gab der Mann sich vorsichtig. »Du meinst, gibt es jemanden, den ich speziell für verdächtig halte?«
    »Ja.«
    »Wir wissen beide, an wen du denkst, nicht wahr, Huy?« Der Tonfall war spöttisch.
    »Ich denke an niemanden.« Huy wollte sich nicht hinreißen lassen.
    »Du denkst an Surere«, versetzte Ipuky, und nachdenklicher fuhr er fort: »Natürlich, der Gedanke ist mir gekommen. Die Morde fingen an, nachdem er geflohen war. Und im Gegensatz zu uns wurde er für seine Arbeit unter dem Großen Verbrecher bestraft.«
    Falls ihm das eine Gewissenslast war, Huy teilte sie jedenfalls nicht. »Nun?« beharrte er, als Ipuky verstummte.
    Der große Mann fixierte ihn mit kalten grauen Augen. »Ich halte ihn nicht für einen rachsüchtigen Mann oder Mörder. Aber wenn man ihn findet, wird es schon interessant sein, zu hören, was er zu sagen hat.«
    »Weißt du, wo er ist?«
    Ipuky nahm seinen Becher und nippte daran. »Nein.« Langes Schweigen folgte. Ipuky sah niemanden an, sondern wartete offenbar darauf, daß sie gingen.
    »Vielleicht hat deine Frau noch etwas hinzuzufügen, oder eines deiner anderen Kinder.«
    Ipukys Augen waren so gefühllos, daß sie wie blind wirkten. »Meine Kinder sind noch klein. Keines ist älter als sieben. Meine Hauptfrau hat nichts gesehen und weiß nichts. Iritnofret war nicht ihre Tochter. Wenn du etwas über ihren Charakter erfahren willst, mußt du ihre Mutter fragen, und sie ist im Delta.«
    Huys Blick fiel unwillkürlich auf das Wandgemälde. »Sie war mit dir in der Stadt des Horizonts?«
    »Natürlich.« Ein Hauch von Ungeduld lag jetzt in der Stimme. »Und als die Stadt fiel und meine Frau zu dem Schluß kam, daß mein Schicksal nicht länger eines sei, das sie zu teilen Lust hatte, da kehrte sie nach Buto zurück. Du solltest keine Schlüsse aus dem Gemälde ziehen. Ich habe es in Auftrag gegeben, um mich an einen Fehler zu gemahnen, aus dem ich viel gelernt habe, und an ein Ende, das zu bedauern ich keinen Anlaß habe.«
    »Wie war ihre Mutter?« fragte Huy.
    Ipukys Blick wanderte langsam zu Taheb hinüber. »Wie ein Feuer, das im Wasser brennen konnte - würdest du das nicht auch sagen?«
    Taheb schlug die Augen nieder.

    »Was sollte das heißen?« fragte Huy

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