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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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Die Aufmerksamkeiten der Medjays hatten sie einen Tagesverdienst gekostet, und die Einnahmen des folgenden Tages waren weit unter dem Durchschnitt geblieben, da die verschreckten Kunden nicht wiedergekommen waren. Merymose ließ sich bei seiner Suche vor allem von Huys Beschreibung des Hauses leiten, in dem er Surere getroffen hatte, und schickte Medjays ohne Uniform, auch dies eine Neuerung, in die guten Wohnviertel.
    All das führte zu nichts. Nicht einmal die Überraschungsrazzien auf die drei Homosexuellenbordelle der Stadt ergaben den geringsten Hinweis auf Sureres Aufenthalt. Nach vier Tagen intensiver Jagd, die sich auch auf das Tal der Großen Gräber am Westufer erstreckt hatte, begann Merymose zu vermuten, daß der entsprungene »Politische« möglicherweise doch getan hatte, was er Huy angekündigt hatte, und in die nördliche Wüste gezogen war, um dort seine religiöse Gemeinde zu gründen. Der Gedanke war keine Erleichterung, denn die erfolglose
    Jagd würde zwar nicht gerade zu seiner Entlassung führen, ihm aber doch erhebliche Nachteile einbringen. Bestenfalls würde er bis ans Ende seiner Tage keinen höheren Rang erreichen können als seinen jetzigen. Düster brütete er über den Preis seines Ehrgeizes; er hatte sich weit vorgewagt, um einem mißtrauischen und zunehmend feindseligen Kenamun die Zustimmung zu dieser Operation abzuschwatzen, und auch das war ihm erst gelungen, als er Surere mit den Mädchenmorden in Verbindung gebracht hatte.
    Wenn Kenamun jetzt zu der festen Überzeugung gelangt war, daß Surere der Mörder war, dann würde nur ein weiterer Mord Merymoses Hals noch retten können. Er war bei seinen Ermittlungen gründlich, effizient und skrupellos vorgegangen und hatte auch vor Folterungen nicht zurückgeschreckt, um Informationen zu bekommen. Aber dann kam ihm ein neuer Gedanke: Ein weiterer Mord könnte seinen Vorgesetzten auch zu der Annahme bringen, daß Surere sich trotz allem noch in der Südlichen Hauptstadt aufhielt, und auch das würde Merymoses Ansehen kaum verbessern. Außer seinem Beruf war Merymose in seinem Leben nicht viel geblieben. Jetzt sah es so aus, als werde ihm auch dieser Halt unter den Händen zerrinnen.
    Surere konnte nicht ohne Hilfe so spurlos verschwinden. Merymose mußte herausfinden, woher diese Hilfe kam, und er sagte sich, er ha-be keinen Grund zu der Annahme, daß Huy ihm noch weitere Informationen vorenthielt. Ein solches Risiko würde sich für den kleinen Ex-Schreiber sicher nicht lohnen.

    Die Suche nach Surere war noch im Gange, als man das vierte Mädchen fand. Sie lag am Ostufer des Flusses, etwa fünfhundert Schritte südlich der Stadtgrenze, auf einem flachen weißen Felsen, wo die Krokodile sie nicht erreichen konnten. Als sie um die sechste Stunde des Tages, da die Sonne am höchsten stand, von einer Medjay-Streife entdeckt wurde, hatten die Geier schon ihre Augen und einen Teil des Gesichts gefressen und die Fliegen sich so gütlich getan, daß sie zu träge waren, fortzufliegen und einzeln abgelesen werden mußten. Mit dem Fortschreiten der Jahreszeit hatte auch die Tageshitze zugenommen, und als Huy und Merymose jetzt vor der Leiche standen, hatten sie die Köpfe mit Leintüchern verhüllt, um sich vor den heißen Strahlen des Ra zu schützen.
    »Wir sollten sie lieber fortschaffen«, sagte der Medjay-Heiler, verscheuchte die letzten Fliegen und wickelte den Leichnam in ein Laken, ehe sich neue draufsetzen konnten. »Das heißt, wenn ich sie untersuchen soll, bevor sie auseinanderfällt.« Er wandte sich ab, um seine beiden Assistenten zu beaufsichtigen, die das kleine Bündel auf einen geschlossenen Ochsenkarren wuchteten.
    Als der Karren langsam in Richtung Stadt davonfuhr, zerstreute sich die kleine Ansammlung von Müßiggängern und Gaffern, und die Leute kehrten zurück zu den Kais und Garküchen, um dort zu berichten, was sie gesehen hatten. Huy und Merymose blieben allein zurück.
    »Was meinst du?« fragte Huy, während sie den Felsen betrachteten. Die Fliegen waren zurückgekehrt und drängten sich auf zwei Klumpen getrockneten Blutes; weiter ließ nichts mehr erkennen, wo das Mädchen gelegen hatte - abgesehen von dem Geruch, der noch in der Luft hing.
    »Es ist wieder genauso, nicht wahr? Außer daß die Leiche nicht früh genug gefunden wurde. Ich beneide die Einbalsamierer nicht.«
    »Nein.« Huy war nachdenklich. Der Leichnam des Mädchens hatte genauso dort gelegen wie die anderen, und es war Augenblickssache gewesen,
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