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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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Wahnsinn?« fragte Merymose.
    »Ich dachte, wir hätten es mit einer Obsession gegen die Reichen zu tun.«
    »Vielleicht handelt es sich bei diesem Mord ja um einen anderen Täter, der nur die Methode kopiert?«
    »Der Öffentlichkeit gegenüber haben wir nichts über die Methode verlauten lassen«, sagte Huy leise. »Nur sehr wenige wissen davon.«
    »Wenn die Methode kopiert wurde«, beharrte Merymose, »damit wir glauben, daß das Verbrechen vom Mörder der anderen Mädchen begangen wurde, dann ging der Täter jedenfalls sehr ungeschickt und dumm vor.«
    »Oder besonders schlau.«
    »Was meinst du damit?«
    »Nun, falls die Methode kopiert wurde, dann wollte der Täter vielleicht, daß wir glauben, er sei ungeschickt und dumm. Vielleicht gibt es aber keine zwei Mörder, und das hier ist das Werk unseres Mannes, der uns nur verwirren will. In dem Fall sind wir ihm vielleicht schon dichter auf den Fersen, als wir glauben.«
    Merymose schüttelte den Kopf. »Zu viele Spuren - die Sache wird immer verwirrender.«
    »Ja«, sagte Huy. »Deswegen müssen wir versuchen, auf einem Weg zu bleiben, dürfen die anderen Spuren aber nicht aus dem Auge verlieren. Was diesen Fall angeht, bin ich mir jedoch sicher, daß es nicht Surere ist, nach dem wir zu suchen haben.«
    Merymoses Blick verschleierte sich. »Wie kannst du das sagen?«
    »Du glaubst wohl immer noch, ich beschütze ihn. Wenn ich wüßte, wo er ist, würde ich es vielleicht sogar tun. Ich sage dir das, weil ich kein Vertrauen erwarten kann, wenn ich nicht ganz offen bin. Aber Surere könnte niemals eine Frau lieben. Er könnte niemals in sie eindringen , und wenn sein Leben davon abhinge! Denn er glaubt, der untere Frauenmund sei mit Zähnen bewaffnet, die ihm sein Glied abbeißen würden, wenn er es hineinsteckt.«
    »Und deshalb bevorzugt er die Gesellschaft von Männern?«
    »Kannst du dir einen zwingenderen Grund vorstellen?«

    An Kenamuns Unterlippe hing ein gelber Schleimtropfen, der, als der Priester-Beamte zu sprechen anhob, auf die Oberlippe wanderte, dann, nach einer Weile, wieder an der unteren kleben blieb. Huy merkte, wie er gebannt und angewidert zugleich auf die Lippen des Mannes starrte, auf diesen gelben Fleck, und auf nichts anderes mehr achten konnte.
    Kenamun hatte sich inzwischen in Rage geredet. So sehr er sich um Beherrschung bemühte, seine Stimme zitterte doch. Die Knöchel der Hand, mit der er im Stehen die Stuhllehne umklammerte, waren angeschwollen, und die Haut spannte sich straff darüber. Die dunklen Augen waren vor Wut glasig, die Pupillen geweitet, und das Weiße quoll aus den Höhlen. Eine Locke in seiner Perücke hatte sich gelöst und hing ihm jetzt in die Stirn; er hatte es offensichtlich nicht bemerkt; sie war das einzig Unordentliche im ganzen Raum und wirkte geradezu aufrührerisch inmitten dieser kalten Strenge. Seine schlichte, kostbare Tunika hing faltenlos an ihm herunter; kein Schwitzfleck war zu sehen, obwohl es sehr heiß und der Vormittag schon weit fortgeschritten war. Der Schmuck an Hals und Handgelenken glänzte noch wie in der Auslage des Ladens, in dem er ihn gekauft hatte, und der Mann schien keinerlei Ausdünstungen zu haben - man roch einfach nichts, weder seinen eigenen Geruch noch ein Parfüm.
    »Ich will, daß Surere gefaßt und hergebracht wird. Ich will ihn vor Gericht gestellt und hingerichtet sehen, und ich will, daß das alles noch vor dem nächsten staatlichen Ruhetag geschieht«, wiederholte er.
    »Aber es ist nicht bewiesen, daß er... « wollte Merymose einwenden.
    »Rede mir nicht von Beweisen. Du hast mir nichts vorgetragen - nichts -, was bewiese, daß er nicht schuldig ist, abgesehen von den Theorien und Erwägungen dieses Huy, des kleinen Schreibers; ich war schlecht genug beraten, als ich dir erlaubte, ihn als Berater zu engagieren.«
    Huy war klug genug, nichts zu sagen. Er blieb stehen, wo er war, etwas seitlich hinter Merymose, den Kopf gesenkt, den Blick aber verstohlen auf dieses Speicheltröpfchen gerichtet, das sich jetzt zwischen den beiden Lippen zu einem dünnen Faden klebriger Flüssigkeit spannte.
    »Einen Mann zu allem Überfluß, der auch noch ein Kollege des entsprungenen Verbrechers war. Ich bestreite nicht, daß ich hoffte, er werde uns zu ihm führen. Und was erfahre ich jetzt?
    Daß er sich mit Surere getroffen und uns dieses Treffen verheimlicht hat. Er kann von Glück sagen, daß er seine Tat gestanden hat, bevor wir sie selbst entdeckten. Nur das rettet ihm das
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