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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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älter und selbstsicherer. Lebhaft berichtete sie Ta-heb von ihrer bevorstehenden Heirat. Zwar sollte sie mit einem Priester vermählt werden und somit durchaus in ihrer Welt bleiben, aber die Ehe ermöglichte ihr immerhin die Flucht aus der Familie. Huy fragte sich, wie ihr zukünftiger Mann wohl sein mochte. Würde Nephthys enden wie ihre Mutter? Es bestand Hoffnung, daß ihr Leben glücklicher verlaufen würde, denn wie Huy hörte, war die Ehe zwar von den Eltern arrangiert, aber Nephthys würde die erste Frau des Mannes sein, und er war ungefähr genauso alt wie sie.
    Während des ganzen Gesprächs hatte Reni ein Horus-Auge auf die Vorgänge; wenn eine, seiner Meinung nach, irrelevante Frage gestellt wurde, schaltete er sich mit der Geschwindigkeit und Präzision eines jungen Richters ein. So war es eine Erleichterung, als ein - von seiner ältesten Tochter geschickter - Sekretär erschien und ihn in einer dringenden Angelegenheit fortrief, die noch am selben Abend von ihm entschieden werden mußte. Er ging nur widerwillig, aber sein Verschwinden machte die Unterredung auch nicht einfacher. Huy hatte den Eindruck, daß irgendwo ein Leibdiener lauschte, der Reni über jegliche Indiskretion berichten würde, und daß alle das wußten.
    Es war dunkel geworden, und die Nacht war unangenehm drückend. Nach kurzer Zeit entschuldigte Renis Gemahlin sich, und alle standen auf und sahen ihr nach, wie sie sich durch den kleinen Urwald schlängelte, wobei sie einsamer denn je aussah. Eine verlegene Pause folgte, und Huy, der das Gefühl hatte, im Augenblick nicht mehr erfahren zu können, unternahm keinen Versuch, die Unterredung fortzusetzen. Er hatte nur noch eine Frage, und die wollte er einem der Kinder unter vier Augen stellen. Er hoffte, daß eines von ihnen Taheb und ihn zum Tor begleiten werde, und er hoffte weiter, es wäre Nephthys. Ob Taheb das geahnt hatte, wußte er nicht, aber als sie sich erhob, hakte sie sich bei dem Mädchen unter und ging in Richtung Tor.
    »Gute Nacht«, sagte Huy zu dem Jungen. »Laß es nur gut sein. Ich bin sicher, deine Schwester kann uns zum Tor führen. Und richte deinen Eltern noch einmal meinen Dank aus.«
    »Das werde ich tun«, antwortete Nebamun stockend. Ein stummes Flehen lag in seinem Blick, das Huy nicht recht deuten konnte und das ihn beunruhigte. Er würde auch mit dem Jungen einmal allein sprechen müssen, denn da gab es ganz offensichtlich etwas, das er sagen wollte und nicht konnte - entweder, weil es zu privat war, oder einfach, weil er vor dem verborgenen Spitzel seines Vaters Angst hatte.
    Als er gehen wollte, faßte der Jüngling ihn beim Ellbogen und zog ihn dicht zu sich heran.
    »Wo kann ich dich finden?«
    »Ich wohne im Hafenviertel. Taheb weiß, wo.« Huy wollte eine Mittelsperson beibehalten, der er vertrauen konnte. Er wußte, daß der Junge nur ein paar Augenblicke Zeit hatte, ehe der Spitzel seines Vaters mißtrauisch würde.
    »Gut.« Die kräftige Hand ließ seinen Arm los, und Nebamun trat zurück.
    »Auf Wiedersehen«, sagte er dann noch einmal mit klarer Stimme.
    »Auf Wiedersehen.«
    Huy sah dem schnell davonlaufenden Jungen nach und folgte dann Taheb und Nephthys. Nephthys lehnte mit verschränkten Armen am Torpfosten; ein weicher Lichtkranz von der Lampe des Torwächters umgab ihr Haar. Ihre klares, lebhaftes Gesicht zeigte weder Schmerz noch Bangigkeit. Die Tür stand offen, und dahinter fiel der Schatten eines Medjay auf das Pflaster, der dort als Wache aufgestellt war.
    »Nephthys«, sagte Huy, »woher hatte deine Schwester die Tätowierung?«
    Das Mädchen sah ihn erstaunt an. »Was für eine Tätowierung?« fragte sie.

A CHT

    Die Suche nach Surere, die erste Operation dieser Art, die die Medjays je durchzuführen hatten, war von Merymose mit militärischer Präzision organisiert worden. Wie die runden, flachen Brote der Semiten, hatte man die Südliche Hauptstadt in Segmente eingeteilt. Die Innenkante jedes Segments verlief durch eines der Hauptviertel der Stadt; die Hauptachsen bildeten die beiden großen Durchfahrtsstraßen, deren eine in nord-südlicher, die andere in ostwestlicher Richtung verlief und die sich im Zentrum kreuzten. Die meisten Polizisten konzentrierten sich auf die dichtbevölkerten Viertel mit verschlungenen Gassen, auf das Hafenviertel etwa; spezielle Einheiten wurden auf die privat geführten Bordelle angesetzt, die nicht unter die Aufsicht der Priesterschaft fielen. Nubenehem beschwerte sich bitter bei Huy darüber:
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