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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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verschlungen wie der Eingang zu einem Grab.«
    Unglücklich wandten sie den Blick voneinander ab. »Benutzt du es als Mittel, um von mir wegzukommen?« fragte sie schließlich.
    »Nein«, sagte er, aber er klang nicht überzeugt. Seine Stimme verriet, was er dachte. Taheb aber hörte nur, was sie hören wollte.
    »Aber du willst nicht mit mir ins Delta kommen?«
    »Nein.«
    Sie seufzte. »Dann fahre ich allein. Ich will meine Kinder sehen. Bitte, schreib mir, wenn diese Geschichte vorbei ist. Vielleicht weißt du dann, was du tun willst.«
    »Weißt du denn, was du tun willst?«
    Sie lächelte. »Nein, das weiß ich nicht. Komm, wir sind erwachsen, und wir reden wie zwei Kinder, die sich um Kleinigkeiten streiten.« Sie umarmten sich, aber sie wußten, daß das Ende ihrer Liebe nahte, auch wenn es eine Weile dauern würde, bis sie dieser Einsicht ins
    Auge blicken konnten. Der Herz liebt Sicherheit um beinahe jeden Preis und sträubt sich mit aller Macht gegen Trennungen, und wenn es sie vollzieht, dann nur langsam, widerwillig und qualvoll.
    »Wenn ihr keine andere Möglichkeit wißt, in meiner Abwesenheit Kontakt miteinander aufzunehmen, wendet euch an meinen Verwalter«, sagte Taheb. »Er ist mein Vetter, und man kann ihm trauen.«
    Da sie sich im Geiste schon getrennt hatten, ging ihnen zum erstenmal, seit sie sich kannten, der Gesprächsstoff aus. Und als Huy die Geliebte schließlich verließ, mußte er sich eingestehen, daß seine Trauer mit einem gehörigen Schuß Erleichterung gemischt war. Er hatte nur noch wenig Zeit bis zu seinem Zusammentreffen mit Merymose, und deshalb ging er nicht nach Hause, sondern begab sich auf Umwegen zum vereinbarten Treffpunkt, wo er sich einfinden sollte, wenn die Sonne die Klippen im Westen berührte. Während er durch die Straßen ging - immer schneller, je weiter die Sonne sich dem Munde Nuts näherte -, hatte er eine Zeitlang das Gefühl, er werde verfolgt; aber er täuschte sich wohl. Die Gestalt, die er auszumachen meinte, war im nächsten Moment wie ein Geist in dunklem Gewand hinter einer Hausecke verschwunden, ehe er ihre Umrisse erkennen konnte. Danach blieben seine Sinne noch eine Weile geschärft, aber nichts Verdächtiges war zu sehen, nicht einmal das Huschen eines Schattens, und als er die verkehrsreicheren Straßen hinter sich ließ, wuchs seine Zuversicht, daß niemand ihm folgte.
    Die untergehende Sonne teilte Dunkelheit und Licht in zwei scharfe, getrennte Bereiche. Die staubigen Straßen, aus denen die Händler jetzt verschwunden waren, schienen sich nun ihres eigenen, stillen Lebens zu erfreuen. Am Ende eines Lichtstrahls, der durch eine Gasse am Fluß hinunter fiel, döste ein Skorpion auf einem zerbrochenen Ziegel; als Huy herankam, richtete sich die kleine braune Statue allerdings auf und reckte kampfeslustig Zangen und Stachel in die Höhe. Der Klang seiner Schritte verhallte in einem hohlen Echo, und Huy war, als sei er der letzte Mensch auf Erden. Er kam jetzt an den Gerstenspeichern vorbei, drei rohgezimmerten Bauten aus Tamariskenholzbrettern. Ein Wächter hockte im Eingang des einen, aber er schlief und hätte ebenso gut eine Statue sein können. Neben ihm lagen zwei andere Kornspeicherwächter, zwei Katzen nämlich, die sich im Schatten zusammengerollt hatten.
    Zwanzig Schritte weiter, hinter einer Straßenecke, erhob sich ein vierter Kornspeicher. Die Tür stand, wie erwartet, offen, und nachdem Huy die Straße entlanggespäht hatte, schlüpfte er rasch ins dämmrige Innere. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er die in mehreren Abteilungen zu beiden Seiten eines breiten Mittelgangs aufgeschütteten Berge von Getreide. Neben den Gerüsten standen die langstieligen Holzschaufeln, mit denen man das Korn in Säcke füllte, und am Ende des Ganges erhob sich, einer gewaltigen Götterstatue in einem Tempel gleich, ein hölzerner, mit bronzenen Bändern umfaßter Fülltrichter. Es war ein riesiges Gebilde, das von einem Balken herabhing und dessen Füllrohr abwärts in eine der Kammern wies. Als Huy näher heranging, sah er, daß das Rohr geöffnet war, denn das Flachsseil, mit dem die Klappe gesteuert wurde, war heruntergezogen. Dem frischen Staubgeruch nach, der in der Luft hing, war die Getreideladung aus dem Trichter erst vor kurzem in die Kammer geschüttet worden.
    Die breite Tür vor der Kammer, die die Sackträger nach außen hin öffneten, wenn neue Säcke gefüllt werden mußten, war jetzt fest verriegelt. Im
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