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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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Näherkommen sah Huy etwas Blinkendes im Halbdunkel, ungefähr in halber Höhe der Tür, zur Mitte hin. Plötzlich schlug sein Herz schneller, und er beschleunigte seinen Schritt; eine furchtbare Panik erfaßte ihn. Der matte Glanz kam von einem goldenen Fingerring. Vier Finger ragten durch eine Lücke zwischen den Bohlen der Tür. Huy berührte sie. Sie fühlten sich an wie aus Stein. Er kannte den Ring.
    Er fuhr herum, aber höhnische Stille erfüllte den Kornspeicher. Er war allein. Er zog den schweren Riegel zurück und trat beiseite, damit das Gewicht des Korns die Tür aufdrücken konnte; in panischer Hast riß er sie dann weiter auf, packte eine der Schaufeln und fing an, zu graben. Es war, als wühle er im Schlamm; seine Bewegungen waren schwerfällig wie in einem Traum. Er rutschte und taumelte durch das Korn, sank darin ein. So schnell er auch grub -immer neue, winzige ovale Körner rieselten in das Loch, das er aushob, Tausende und Abertausende. Aber endlich stieß er auf die Leiche.
    Merymose lag auf dem Rücken. Gerste bedeckte seine Augen, seine Nase und seinen Mund. Seine Fingernägel waren abgebrochen und blutig, denn er hatte sich gegen die Tür geworfen und daran gekratzt, als er begriffen hatte, daß er in der Kammer eingesperrt war und was als nächstes passieren würde.

N EUN

    »Warum? Weil Kenamun seinen besten Mann verloren hat, und weil ich ihm nicht zutraue, diesen Fall allein aufzuklären! Und nach dem, was sie bisher geleistet haben, weiß ich, daß ich von meinen eigenen Leuten auch nicht allzu viel zu erwarten habe. Du würdest natürlich alle Hilfe bekommen, die du brauchst, obwohl ich das Gefühl habe, daß du besser zurechtkommst, wenn du allein arbeitest. Ich werde
    dich in der Form bezahlen, die du wünschst, und zwar im Werte eines halben deben Silber pro Tag. Ich gebe dir zwanzig Tage. Wenn du den Fall dann nicht aufgeklärt hast, wirst du entlassen. Wenn doch, werde ich das Haus kaufen, in dem du wohnst, und dir schenken.«
    Huy schaute sich in dem tristen Raum um; er konnte nicht glauben, daß er wieder hier war. Er hatte mit niemandem darüber gesprochen, daß er Merymoses Leiche gefunden hatte, nicht einmal mit Taheb, die ganz mit den Vorbereitungen für ihre widerstrebend in Angriff genommene Abreise beschäftigt war und nicht weiter gefragt hatte, als er ihr berichtete, daß Merymose nicht am vereinbarten Treffpunkt erschienen war. Sie hatte es merkwürdig gefunden, weil Merymose doch wichtige Neuigkeiten gehabt habe, erklärte sich sein Fernbleiben aber damit, daß es ihm wohl im letzten Moment nicht gelungen war, unbemerkt wegzukommen.
    Die Nachricht vom Tode des Polizisten kam wenig später - der schlafende Wächter hatte den Leichnam gefunden, als er seinen Abendrundgang machte. Aber da war Taheb schon abgereist. Huy war nach Hause gegangen, um sich zu überlegen, wie er in das Bordell mit dem unfrommen Namen »Ruhm des Seth« hineingelangen könnte. Nebamun hatte recht gehabt: Er war einfach außerstande, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und jetzt war auch noch der Tod eines Freundes zu rächen. Dazu war die Nachricht vom Palast gekommen.
    »Ich warte«, sagte die strenge Stimme von der anderen Seite des Tisches.
    Huy schaute zu Ipuky hinüber, der ihn diesmal zwar aufgefordert hatte, sich zu setzen, ansonsten aber die gleiche Härte und Kälte ausstrahlte. Sein großzügiges Angebot war sehr verlockend; trotzdem fragte sich Huy, was ihn dazu bewogen haben mochte. Ipuky hatte nach ihm geschickt, Huy war seinem Ruf gefolgt, und während sie nun miteinander sprachen, bemühte Huy sich, Ipukys Gesicht genauer zu erforschen, als er es bei ihrer ersten Begegnung für nötig gehalten hatte. Aber es war ein Gesicht, das wenig verriet. Nur ein paar feine Falten um die Mundwinkel deuteten darauf hin, daß der Mann in seinem Leben auch schon einmal gelacht haben mußte.
    »Was hat dich veranlaßt, dich an mich zu wenden?«
    »Merymose war kein Trottel, und du hast einen guten Eindruck auf mich gemacht, als wir uns das erste Mal sahen. Aber jetzt deine Antwort.«
    »Ich nehme an.«
    »Gut. Nicht, daß du hättest ablehnen können.«
    »Ach?«
    War da plötzlich die Andeutung eines Lächelns? »Du brauchst Arbeit. Und noch dringender, du brauchst Merymoses Mörder. Und drittens: Wenn du dich geweigert hättest, dann hätte ich Kenamun darauf hingewiesen, daß die Tür der Kornkammer, in der Merymose gefunden wurde, geöffnet worden war. Was das bedeutet, scheint ihm entgangen
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