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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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dieser hier?« Die fette Nubierin deutete mit dem Kopf auf das kleine Mädchen aus dem Süden, das sich zierte und kicherte. Sie strahlte eine so frische Heiterkeit aus, die ihre ganze Umgebung noch schäbiger erscheinen ließ.
    Huy lächelte dem Mädchen zu. »Ein andermal jederzeit... «, sagte er und dann, an Nubenehem gewandt: »Du mußt mir noch einen Gefallen tun.«
    »Du willst mir die Perücke zurückverkaufen? Nein.«
    »Eine so kostbare Perücke? Machst du Witze?«
    Das schwarze Mädchen verschwand lachend hinter dem Vorhang, der ins Innere der Stadt der Träume führte. Ihre Anmut schien unverwundbar zu sein. Huy fragte sich, wie lange sie wohl schon in der Hauptstadt war, und wie sie dort hingekommen sein mochte.
    »Was denn für einen Gefallen?«
    »Ich suche ein Mädchen.«
    »Noch eins? Was stört dich denn an denen, die ich habe?«
    »Ich suche ein Mädchen aus dem Land der zwei Ströme.«
    »Ah«, sagte Nubenehem sarkastisch. »Das ist leicht. Bist du sicher, daß du bloß eine willst?« »Könnte sein, daß man sie vermißt, wo sie arbeitet.« Huy bemühte sich, seine Worte sorgfältig zu wählen, aber Nubenehem war sofort auf der Hut.
    »An einer Arbeitsstelle wie dieser hier?«
    »Ja.«
    »Seit wann?«
    »Seit zwei Tagen. Vielleicht seit drei.«
    »Du arbeitest immer noch für die Medjays?«
    »Nein«, antwortete er wahrheitsgemäß.
    »Gut. War irgendwie auch nicht dein Stil.«
    »Hast du etwas gehört?«
    »Wie schnell, glaubst du, spricht sich so was rum?« Nubenehem war immer noch vorsichtig.
    »Es gibt ja nicht so viele Mädchen von dort.«
    »Ich werde mich umhören. Mal sehen, ob jemand eine vermißt. Komm morgen wieder her.«
    »Danke.«
    »Das kostet dich zwei Silberstücke.«

    Huy trat hinaus in die warme Nacht und schnupperte genüßlich den schweren, staubigen Geruch der Luft. Er fühlte sich noch ausgeruht und hatte keine Lust, in sein einsames Haus zurückzukehren; die Idee, Taheb zu besuchen, verwarf er. Er wollte sich heute abend gehen lassen, und der Gedanke an all das Zeremoniell und den Pomp in ihrem Haus bedrückte ihn.
    Er kehrte zum Kai zurück und begnügte sich eine Zeitlang damit, auf und ab zu gehen, um
    seine Gedanken zu ordnen. Sein Blick wanderte ruhelos hin und her: von den Fassaden der Häuser mit ihren dunklen, geheimnisvollen Eingängen zu den Booten, dem Glitzern des rastlosen Wassers und den Lichtern der Fischer draußen in der Strommitte, dann wieder zu den Gesichtern der Menschen auf ihrem Abendspaziergang am Kai. Wieder kam ihm die Frage in den Sinn, wieviel Zufriedenheit wohl hinter jedem einzelnen in diesem Meer von Gesichtern wohnen mochte; aber solche Überlegungen waren müßig. Für die meisten Menschen ringsumher war das Leben eine einfache Sache. Ihre Existenz auf diesem schmalen Streifen Grün in der Wüste wurde von nichts anderen bestimmt als vom Pharao und den Göttern, dem jährlichen Steigen und Fallen des Flusses und den drei Jahreszeiten. Wozu hätten sie etwas in Frage stellen sollen? Das hatte keinen praktischen Nutzen und klärte am Ende überhaupt nichts.
    Jemand berührte ihn am Ellbogen so sachte, daß er glaubte, es sei ein Versehen gewesen, aber dann wurde die Geste nachdrücklicher wiederholt. Er drehte sich um und sah Nebamun an seiner Seite.
    »Hallo«, sagte der junge Mann und sah ihn mit hohlen Augen an.
    »Hallo«, sagte Huy, ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
    Schweigend gingen sie ein Stück weiter; sie waren ein Teil der Menge und verloren sich darin. Nur wenige Leute sprachen, und die Stille der Nacht lag wie ein Tuch über der Stadt. Gelegentlich war ein schrilles Lachen oder eine wütend erhobene Stimme zu hören, was wie ein Frevel wirkte. Aber die Stille war ohnehin nicht vollkommen; das war sie nie, denn immer hörte man das beharrliche Murmeln des Flusses und das fleißige, niemals endende Sägen der Grillen.
    »Hast du eine Nachricht für mich?« fragte Huy schließlich, als er merkte, daß der Junge wartete, bis er das Schweigen brach.
    »Von wem?«
    Huy spreizte die Hände. »Ich weiß nicht. Von deinem Vater, zum Beispiel?«
    »Nein. Was hätte er dir zu sagen?«
    »Das stimmt.« Die Vorstellung, Reni könnte ihm irgendeine Nachricht schicken, amüsierte Huy. Aber der Jüngling sah ihn weiter ernsthaft an.
    »Was gibt es dann?« fragte Huy nach einer Weile.
    Nebamun zögerte mit einer Antwort. Als er dann sprach, schaute er geradeaus und warf nur hin und wieder einen Seitenblick auf Huy, wobei dieser nicht hätte
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