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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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ja.«
    »Wo siehst du ihn?«
    Huy sah, daß er ihn zu heftig bedrängt hatte. Die Verschlagenheit war in Sureres Miene zurückgekehrt, »Warum? Willst du ihn mir wegnehmen? Du arbeitest immer noch für die falschen Herren.«
    »Ich arbeite für niemanden.«
    »Glaubst du, ich kenne Ipukys Livree nicht? Was spielst du für ein Spiel?«
    »Ich muß essen.«
    »Also schließt du Kompromisse«, versetzte Surere verächtlich. »Zumindest hast du dir einen guten Mann ausgesucht.«
    »Aber er hat den Aton aufgegeben, um sich selbst zu retten, genau wie die anderen.«
    »Und was hast du getan?« fragte Surere. »Ich habe nachgedacht. Ich habe zu schnell verurteilt, wo ich Milde hätte walten lassen sollen. Du kanntest Ipuky früher nicht?«
    »Nein.«
    »Er hat seine Frau sehr geliebt. Sie hat ihn um den Finger gewickelt, aber er hat sie trotzdem geliebt. Und als sie fortging, klammerte er sich an ihren Schatten in Gestalt ihrer Tochter.«
    »Die er mißhandelte.«
    »Das kann ich nicht glauben.« Sureres Blick hatte sich wieder verändert, von Erinnerungen getrübt.
    »Du sprachst von Milde«, sagte Huy sanft. Die Spitze des Dolches senkte sich. Huy schaute Surere an. Surere war größer als er, und die Zwangsarbeit hatte ihn sehnig gemacht, aber er war auch älter, und all seine Wachsamkeit schien plötzlich erloschen. Jetzt war der Zeitpunkt, ihn zu fassen. Aber wenn er ihn überwältigt hätte, was dann? Dann hätte er das zerbrechliche Vertrauen verwirkt, das Surere in ihn setzte, und wenn er ihn Kenamun übergäbe, würde er jede Spur des zarten Fadens verlieren, der Surere auf irgendeine Weise mit dem Tod der Mädchen verband. »Dann kannst du nicht getötet haben.«
    »Auch der Tod kann milde sein, wenn er die Unschuldigen vor der Verkommenheit bewahrt.«
    Huy hatte das Gefühl, daß die Welt sich um ihn herum zusammenzog. Es war, als sitze er in seinem eigenen Mittelpunkt, im innersten Raum seines Herzens, als er diese Worte hörte. Die beiden Männer, von ihrem Schicksal in eine unfreiwillige Intimität gezwungen, saßen schweigend da, denn alle Worte waren aufgebraucht. Schließlich stand Surere auf.
    »Folge mir nicht, Huy«, sagte er in seinem früheren gebieterischen Ton.
    »Sag mir, wer dich schützt.«
    Surere lächelte. »Jemand, der dem König Besitztümer schuldet.«
    Huy machte ein beunruhigtes Gesicht. »Du gehst, und ich weiß nicht, ob ich dir geholfen habe. Ich weiß nicht mal, ob ich es tun sollte.«
    »Du müßtest mich ausliefern. Aber wo wärest du dann? Versuche nicht, mir zu folgen.«
    Surere legte den Dolch hin, wandte sich ab und ging zur Treppe. Huy hörte, wie er hinunterstieg, und dann das leise Knarren und Klicken der Tür. Gleich darauf umhüllte die Nacht ihn mit ihrer Stille.

    Um Huy Zutritt zum Ruhm des Seth zu verschaffen, hatte Ipuky seinen Verwalter ins Vertrauen ziehen müssen. Sie waren zu dem Schluß gekommen, daß es am einfachsten wäre, Huy als Kunden hinzuschicken. Um keinen Preis wollte Ipuky, daß Huy in der Livree seines Hauses dort erschien. Also würde er Privatkleidung tragen und sich als Kaufmann aus der Nördlichen Hauptstadt ausgeben. Kostbarer Schmuck und Schminke vervollkommneten das Bild eines reichen Mannes, aber Huy fühlte sich befangen und unbehaglich in seinem Aufzug.
    Das Etablissement glich der Stadt der Träume, wenngleich Ausstattung und Mobiliar sehr viel kostbarer waren. Niemand hatte ihm Fragen gestellt oder sich mißtrauisch gezeigt. Aus dem nüchternen Eingangsflur führte ihn ein gleichermaßen nüchterner junger Mann, der ein Staatsdiener hätte sein können, in einen Raum, auf dessen Wandfriesen die Perversionen dargestellt waren, auf die das Bordell spezialisiert war. Als Huys Blick darüber hin wanderte, verwandelte sich seine anfängliche Bangigkeit in Verachtung und dann in Mitleid, denn hier gab es nichts als die traurigen Trümmer der Phantasie.
    »Bitte wähle«, sagte der junge Mann und deutete auf die Wandbilder.
    »Wählen?«
    »Was du gern tun möchtest. Oder möchtest du lieber zusehen? Das tun auch einige zuerst, um in Stimmung zu kommen.« Dem jungen Mann gelang es, gleichzeitig ein gewisses augenzwinkerndes Einverständnis und das antiseptische Desinteresse einer Krankenschwester aus seinem Blick sprechen zu lassen.
    Huy schaute sich noch einmal die Wände an. In säuberlichen Reihen waren Menschen abgebildet, deren ungewöhnliche Aktivitäten in krassem Gegensatz zu ihren unbeteiligten Mienen standen. Eine Szene zeigte zwei
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