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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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war, um dem Mörder oder denjenigen, die ihn schützten, bedrohlich zu werden. Über ein Detail mußte sich Huy noch Klarheit verschaffen, und er wußte, daß er das nicht selbst in die Hand nehmen konnte. Nicht einmal Ipuky konnte dafür sorgen, daß er sich diesen Leichnam ansehen könnte. Und das Wundermittel der amtlichen Befugnis, mit dem der Balsamierer einzuschüchtern war, hatte man ihm entzogen. Sollte er in dieser heiklen Angelegenheit um Hilfe bitten? Huy zögerte. Andererseits würde es diesem Jungen, den der Schmerz zum Mann gemacht hatte, gewiß Erleichterung verschaffen, wenn er irgend etwas tat.
    Er traf seine Entscheidung schnell.
    »Ich nehme deine Hilfe an«, sagte er.
    Ein Hoffnungschimmer trat in Nebamuns Augen, gemischt mit Eifer und Verzweiflung. Vielleicht war auch Angst dabei, jedenfalls etwas, das Huy beunruhigte. Verheimlichte der Junge ihm etwas? Gab es ein Geheimnis in Renis Familie? Brachte er Nebamun in Gefahr, wenn er ihn in die Sache hineinzog? Aber jetzt war es zu spät, es sich anders zu überlegen.
    »Ich muß wissen, wie deine Schwester Nephthys gestorben ist, ob irgendeine Verletzung an ihrem Körper zu sehen ist. Es wird schwierig sein. Du wirst dir den Leichnam sorgfältig anschauen müssen.« Er beschloß, dem Jungen nicht zu sagen, wo er suchen müßte.
    Nebamun sah ihn an. »Das habe ich schon getan. Ich wußte, daß da eine Wunde sein mußte, denn Nephthys ist nicht ertrunken, nicht erwürgt und nicht vergiftet worden. Da ist ein kleines Mal, kaum größer als von einer Nadel, unter ihrer linken Brust.«
    »Aha.«
    »Sind so all die anderen getötet worden -auch Neferuchebit?«
    »Ja.«
    »Das dachte ich mir. Und jetzt?«
    »Geh nach Hause. Tröste deine Eltern. Stelle nach Möglichkeit fest, was dein Bruder vorhat. An unser Wild muß man sich sehr vorsichtig heranpirschen.«
    Nebamun ging. Huy sah ihm nach, wie er den kleinen Platz vor dem Haus überquerte und um die Ecke verschwand, um zum Palastgelände zurückzukehren. Er dachte an die vergeblichen Hochzeitsvorbereitungen, an die Gedanken, die dem Verlobten, dessen Namen er nicht einmal kannte, wohl durch den Kopf gingen, an die Festdekorationen, die jetzt wie Hohn wirken mußten. Wir machen Pläne und glauben, alles im Griff zu haben: Da wirft Nu den Tisch um und zerbricht, was wir im Laufe eines ganzen Lebens aufgebaut haben. Vielleicht wird es ihm eines Tages sogar gelingen, die Pyramiden zu zerstören, die wir errichteten, um ihm zu trotzen. Aber wir können noch so solide bauen - unser Leben besteht weiter aus Hütten von Stroh und Lehm, der Gnade des Flusses und der Sonne ausgeliefert.

    Im Lauf ihrer kurzen Bekanntschaft hatte Ipuky sich Huy gegenüber behutsam geöffnet. Er hatte echten Zorn über den Zwischenfall im Bordell gezeigt, und Huy hatte nur knapp verhindern können, daß er sofort Vergeltung übte. Auch jetzt bedurfte es wieder einiger Überredungskunst, um seinen neuen Arbeitgeber davon zu überzeugen, daß es nötig war, Renis Haus zu bewachen. Dort waren die Spuren am frischesten, und dort war noch eine Tochter im richtigen Alter am Leben. Wieder mit der unauffälligen Livree von Ipukys Gesinde bekleidet, das Gesicht geschminkt, um die schlimmsten Schrammen zu verdecken, den Arm in einer leinenen Schlinge, verbrachte Huy die nächsten zwei Tage damit, auf erfundenen Botengängen durch den Palastbezirk zu streifen, die ihn oft genug an Renis Haus vorbeiführten, so daß er sich ein Bild von Zustand und Höhe der Mauern machen und feststellen konnte, wieviele Tore es gab und an welchen Straßen sie lagen. Die Mauern waren gut erhalten und so glatt verputzt, daß es schwer war, darüber zu klettern, und wenn es jemand versucht hätte, wären sicher Kratzspuren zurückgeblieben, die die Stelle verraten hätten. Außer dem Haupteingang gab es zwei Tore: ein kleines, das von einer Gasse an der Ostseite des Hauses geradewegs in den Garten führte, und ein Doppeltor für Karren und Reisewagen, das sich zu einem weiten Platz an der Nordmauer hin öffnete.
    Im Laufe dieser zwei Tage verließ kein Mitglied der Familie das Anwesen; nur der ältere Bruder, ein Mann, der seine muskulösen Arme eingeölt hatte, um sie auf vorteilhafteste Weise zur Schau zu stellen, dessen Bauch aber schon erschlaffte, hatte den kleinen, von einem weißen Ochsen gezogenen Karren begleitet, mit dem Nephthys’ in ein weißes Leinentuch gewickelter Leichnam zum Einbalsamierer geschafft wurde, aber das war alles. Huy war ihm gefolgt.

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