Tod am Zollhaus
langes Gedicht dazugelegt. Der Wein war ausgezeichnet gewesen.
Rosina klopfte an die Tür des Klappmeyerschen Hauses in der Gröningerstraße. Niemand öffnete, doch irgend jemand musste zu Hause sein, ein Diener oder die Köchin, zumindest ein Küchenjunge. Sie klopfte kräftiger. Schließlich wurde die schwere Tür einen Spaltbreit geöffnet. Klappmeyers Diener – sie erkannte ihn sofort, denn er hatte das Weinfässchen gebracht und mit eifrigen Kratzfüßen überreicht – steckte die Nase durch den Spalt.
«Der Herr ist nicht da», flüsterte er und blickte mit flinken Augen nach links und nach rechts die Straße entlang.
«Dann lass mich hinein, damit ich ihm eine Nachricht schreiben kann.» Rosina wollte die Tür aufschieben, aber der Diener hielt sie fest. «Du weißt doch, wer ich bin, Putow. Dein Herr …»
«Mein Herr ist nicht da. Er ist auf Reisen. Für lange Zeit. Geh weg!» Mit beiden Händen machte er eine eilig flatternde Bewegung, als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen. Dann fiel die schwere Tür ins Schloss. Rosina konnte gerade noch rechtzeitig ihre Röcke zur Seite raffen.
Sie trat zurück auf die Straße und sah an dem hohen Giebel hinauf. Hinter einem Fenster im ersten Stock erkannte sie einen Mann, der nervös an seinen Spitzenmanschetten zupfte. Als er ihren Blick bemerkte, trat er hastig in den Schatten des Zimmers zurück.
Jacques Klappmeyers Versprechen hielten offenbar nicht länger als eine Saison.
Bei Astrid Bellrich erging es ihr ähnlich. Auch sie hatte sich im vergangenen Jahr als begeisterte Verehrerin der Musen gezeigt. Die trüben Kaufleute, hatte sie gespottet, die nichts von der Kunst verstanden, nichts von der Empfindsamkeit einer künstlerischen Seele, sie seien ihr so einerlei. Sie liebe das Theater und ehre die Schauspieler, denn die Kunst könne nur von Gott kommen. Ganz gleich, was die Pastoren von der Kanzel predigten, die alten Männer seien ja bis tief in ihre Seelen völlig verstaubt.
Und nun ließ sie ihre Zofe an der Tür ausrichten, sie fühle sich nicht wohl. Und Madame, hatte das Mädchen mit einem herablassenden Blick hinzugefügt, interessiere sich in diesem Jahr nur für die Blumenzucht und für die Malerei. Die Komödianten seien ihr nicht gelehrt genug.
Wieder fiel eine Tür ins Schloss.
«Nicht gelehrt genug», schimpfte Gesine. «Diese dumme Gans. Wisst ihr noch, wie sie sich einen Lorbeerkranz auf ihr Haar legte und Molière deklamierte? Und überhaupt nicht merkte, dass die Verse von Racine waren? Wie eine rostige Leier hat sie deklamiert, eine Schande für die Kunst!»
Rosina, Helena und Rudolf starrten sie verblüfft an.
«Gesine!» Rudolf grinste breit. «Wie schön du schimpfen kannst!»
«Und wie laut», sagte Sebastian, der in diesem Moment die Stalltür öffnete, «man hört dich über den ganzen Hof. Warum sitzt ihr alle hier bei den Pferden? Lest ihr ihnen Verse vor?»
«Damit die Krögerin uns nicht belauscht», kicherte Helena. «Wo warst du, Sebastian? Wir haben dich gesucht. Wenn uns nicht schnell einfällt, wie wir den Messerstecher finden, kommt jede Hilfe für Jean zu spät.»
«Ich war …»
«Ja, ja», unterbrach ihn Rosina unwirsch. Sie wollte gar nicht wissen, an welcher Brücke er geträumt hatte. «Du warst am Wasser spazieren. Jetzt wach auf, setz dich hin und hilf uns denken.»
«So höre doch …»
«Nein, jetzt hörst du. Wir haben keine Zeit.»
Sebastian zuckte gleichmütig mit den Schultern und setzte sich auf eine Tonne. Muto, der hinter ihm durch die Tür geschlüpft war, hockte sich neben ihm auf den Boden.
Rosina schritt nervös auf und ab.
«Steh still. Du machst die Pferde wild.»
Sie warf Sebastian einen ärgerlichen Blick zu und lehnte sich unruhig gegen einen Pfosten.
«Lasst uns überlegen, was wir bisher unternommen haben und was nun zu tun ist. Wir haben versucht, mit Claes Herrmanns zu sprechen. Er hat uns gleich hinauswerfen lassen. Wir haben versucht, mit Jean zu sprechen, die Fronknechte waren noch unverschämter als der Kaufmann. Ich habe versucht, unsere einflussreichen Kunstfreunde um Hilfe zu bitten. Wir wissen nun, dass sie keine Freunde sind. Wenn ein wenig Courage gefordert ist, lassen sie uns und die Kunst mitsamt allen Musen freudig untergehen.»
«Warst du auch bei den Jacobs?», fragte Helena.
Rosina schüttelte den Kopf. «Die waren doch im letzten Frühjahr nur ein paarmal im Theater.»
«Sie haben einen Korb mit Pfirsichen geschickt.»
«Aber sie haben
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