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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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musste sie durchstehen und etwas tun, woran man glaubte.
    Auf dem Jungfernstieg herrschte die Geschäftigkeit eines ganz normalen Arbeitstages. In Hamburg schienen immer alle Straßen voll zu sein. Es lebten einfach zu viele Menschen in den engen Mauern. Von ferne sah Reichenbach Claes Herrmanns mit großen Schritten auf das Rathaus zugehen. Er blieb kurz vor einer Vierländer Blumenfrau stehen, sah unentschlossen in ihre Körbe und eilte weiter.
    Aus einem schön geschnitzten, hölzernen Portal eines der breiten Fachwerkhäuser, die diese Straße direkt am Wasser säumten, trat Thomas Matthews. Eine grazile Frau mit aufgetürmtem aschblondem Haar, eleganter als die meisten Hamburgerinnen und beweglich wie eine Libelle, folgte ihm. Reichenbach grinste. Eine ungewöhnlich frühe Stunde für einen Mann und eine Frau, die nicht die gleiche Adresse hatten, gemeinsam aus einem Haus zu treten. Die Frau war schlecht gelaunt. Sie fächelte sich mit kurzen, heftigen Schlägen, obwohl der Wind empfindlich frisch von der Alster wehte.
    Reichenbach glitt hinter einen Karren und lauschte.
    «Eure Cousine! Das mag ja sein. Obwohl Ihr nie von dieser Verwandtschaft auf Jersey erzählt habt. Aber sie ist eine Freundin von Herrmanns. Vergesst das nicht.»
    Matthews’ Antwort war schon nicht mehr zu verstehen. Das Rattern des Wagens, in dem das Paar davonfuhr, übertönte jedes Wort.
    Reichenbach musste unbedingt herausfinden, wer diese Frau war und was sie so ärgerte.
    Und Rosina musste unbedingt herausfinden, was diese Frau mit Claes Herrmanns verband.
     
    «Hier seid ihr alle!»
    Gesine stand in der Stalltür und sah ärgerlich auf Helena, Rosina und Rudolf hinunter, die auf einem Heuhaufen hockten. Die Pferde der Komödianten und das dicke Lastpony der Krögerin scharrten unruhig mit den Hufen.
    «Wieso versteckt ihr euch im Stall?»
    «Mach die Tür zu, und setz dich zu uns.» Helena rückte ein wenig beiseite und klopfte mit der flachen Hand neben sich auf das Heu. «In der Komödienbude ist es viel zu kalt, und im Haus hat die Krögerin überall ihre großen Ohren.»
    Gesine setzte sich neben Helena.
    «Habt ihr mit Jean gesprochen?»
    «Noch nicht», Rosina wickelte sich fröstelnd fester in ihr Wolltuch. «Die Fronknechte denken nicht daran, uns auch nur in die Wachstube zu lassen. In den Kerker dürfen wahrscheinlich nur der Richter und der liebe Gott persönlich. Und vor dem Fensterloch hockt eine Zwiebelverkäuferin. Der ganze Platz vor der Fronerei war am Vormittag voller Menschen. Es war wie auf dem Jahrmarkt.»
    «Heute Abend», fuhr Helena fort, «wenn alle bei ihrer Suppe sitzen, versuchen wir es noch einmal. Auch wenn wir nicht mit ihm reden können, so kann ich versuchen, ihm einen Brief durch das Mauerloch zu werfen. Dann weiß er immerhin, dass wir da sind und ihn rausholen werden. Auch wenn uns keiner dabei helfen will.»
    Rosina war nach ihrer Begegnung mit Thomas Matthews und der schlechtgelaunten Dame auf dem Jungfernstieg zurück zum Kröger’schen Haus gelaufen. Sie hatte es plötzlich satt, die Spionin zu spielen.
    In der Dachkammer, die sie mit Helena teilte, war sie in ihr bestes Kleid geschlüpft. Sie hatte das burgunderrote Samttuch, das sonst nur aus der Kiste geholt wurde, wenn Helena eine Königin spielte, um die Schultern geschlungen und sich wieder auf den Weg gemacht. Auch der zweite Versuch, mit Herrmanns zu reden, war fehlgeschlagen. Der Diener hatte ihr gleich die Tür vor der Nase zugeschlagen. Aber es gab andere, die nicht so engstirnig waren. Bürger, die im letzten Jahr begeistert ihre Schauspiele beklatscht hatten, die von der neuen Zeit sprachen und Komödianten nicht als hergelaufenes Pack, sondern wie Menschen behandelten. Vor allem Jacques Klappmeyer, ein reicher Privatier, von dem es hieß, ihm gehöre die halbe Neustadt. Ein wirklich kunstsinniger Mensch und Jünger der neuen Geistesrichtung, ein Verehrer der Vernunft, die Menschen nicht nach ihrem Stand, sondern nach ihren Gaben und Verdiensten beurteilte.
    Vielleicht hatte er seine Hände ein wenig zu gern in Rosinas Nähe gehabt. Aber wirklich nur ein wenig, und jetzt war nicht die richtige Zeit für Empfindlichkeiten. Rosina brauchte Hilfe, und Jacques Klappmeyer musste als reicher Bürger Einfluss in der Stadt haben.
    Wann immer sie ihn brauche, hatte er im letzten Jahr versichert und ihr innig die Hand geküsst, er werde da sein. Er hatte ein Fässchen mit rotem französischem Wein geschickt und ein selbstgereimtes, sehr

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