Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
Ruhe ließ. Sie prüfte in dem Spiegel über der Konsole den Sitz ihrer Haube und ging zu ihrem kranken, nörgelnden Mann.
    Das Fieber musste ihn verwirrt haben. Er trug ihr auf, dem Komödianten einen frischen Strohsack und zwei warme Decken in die Fronfeste bringen zu lassen. Und jeden Tag eine fette, warme Suppe, ein ordentliches Stück Brot und einen Becher Bier.
    Der Richter wusste genau, was er befahl. Er wollte seinen Prozess und das Galgenspektakel. Der mörderische Komödiant durfte nicht vorher sterben.

[zur Inhaltsübersicht]
    7. Kapitel
    Donnerstagvormittag
    Gleich nach dem Frühstück hatten Helena, Rosina und Gesine Streit. Sie waren allein. Rudolf ließ sich nur noch zum Essen und Schlafen aus der Komödienbude locken, Titus, Sebastian und Muto holten mit dem großen Wagen das Holz für die Reparaturen. Wo Lies steckte, wusste niemand. Sie ging immer ihre eigenen Wege.
    Rosina hatte am vergangenen Abend die große Kiste mit den Texten aufgeklappt und drei Schauspiele für die ersten Aufführungen herausgesucht. Gesine war empört.
    «Das sind ja nur diese dummen Schäferstücke! Kein einziges lehrreiches Drama. Bloß damit du wieder deine Beine zeigen kannst …»
    «Meine Beine sind mir völlig egal.» Rosina sprang ärgerlich von der Bank auf, und Helena konnte gerade noch den umstürzenden Milchkrug auffangen.
    «Wenn du essen willst, musst du den Leuten Spaß bieten. Lehrreiches hören sie von der Kanzel. Aber von mir aus kannst du die Stücke aussuchen. Ich habe genug anderes zu tun.»
    Gesine saß zornrot auf ihrem Hocker, doch bevor sie antworten konnte, schlug Helena mit der flachen Hand auf den Tisch.
    «Hört auf, ihr beiden! Wir spielen ein Schäferstück und ein Ballett. Wie immer. Und wir spielen ein englisches oder deutsches Drama. Wie immer. Erst das Schäferstück, dann die Kunst, zum Schluss das Ballett. Rosina, setz dich wieder hin.»
    Gesine schluckte. «Es tut mir leid, Rosina.» Um des lieben Friedens willen war sie immer schnell bereit, klein beizugeben. «Das mit deinen Beinen habe ich nicht so gemeint.»
    «Du hast ja recht», Rosina, so schnell versöhnt wie erbost, lachte schon wieder. «Ich zeige sie wirklich gerne.»
    Die anschließende Auseinandersetzung beschränkte sich auf sachliche Fragen, zum Beispiel, ob das Drama von Herrn Lessing, «Miss Sara Sampson», sich für die Hamburger eigne.
    Danach murrte Helena über Rosinas unleserliche Schrift, nur um gleich darauf anzuerkennen, dass Rosina die Abschreiberei ja bei nächtlichem Kerzenschein und in Eile erledigen musste.
    Schließlich fand Rosina, dass es heute wohl wenig Sinn mache, an den Texten zu arbeiten. «Wir sind alle drei nervös und kratzbürstig. Ich gehe in die Stadt und höre, was die Leute sagen.»
    «Pass auf dich auf, Rosina. Sei nicht wieder so leichtsinnig.»
    Aber Rosina hörte sie schon nicht mehr, und Gesine wunderte sich, warum Helena plötzlich so besorgt um Rosina war.
     
    Rosina hatte sich wieder in Friedrich Reichenbach verwandelt und war unbemerkt aus der hinteren Tür geschlüpft. Nur Sebastian, Titus und Helena wussten von ihrem Doppelspiel. Den anderen wollte sie nicht noch mehr Grund zur Sorge geben. Wenn sie in den schönen grauen Herrenrock schlüpfte, den Dreispitz unter dem Arm spürte und die Freiheit von ihrem Schnürkorsett genoss, vergaß sie manchmal selbst, dass sie eigentlich Rosina hieß. Dann war sie ganz und gar Friedrich Reichenbach, ein Freund der Komödianten.
    Sie stand in der Gasse hinter dem Gänsemarkt und sah den Arbeitern zu, die die Reste des alten Opernhauses abtrugen. Sie waren fast fertig, die Wände waren schon verschwunden, und die Bretter, die für das neue Theater noch gebraucht werden konnten, lagen aufgestapelt in einer Ecke der Baustelle. Es waren nicht viele. Das Haus war alt gewesen, fast hundert Jahre, und das neue Gebäude sollte viel größer werden und brauchte stabileres Holz.
    Noch in diesem Sommer sollte das Theater, das der berühmte Prinzipal Ackermann auf eigene Kosten bauen ließ, fertig sein. Ein mutiges Unternehmen, es war kaum vorstellbar, dass die Hamburger die Schauspiele genug liebten, um Ackermann und seiner großen Gesellschaft von mehr als 20  Personen ein Auskommen zu sichern. Aber Hamburg würde ein richtiges Theater haben. Ob es dann noch genug Zuschauer gab, um auch die Wanderkomödianten satt zu machen, war ungewiss.
    Reichenbach unterdrückte einen Seufzer und schlenderte weiter. Es gab Tage, da verließ einen der Mut. Man

Weitere Kostenlose Bücher