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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Schläfrigkeit eines Tages ohne Arbeit auch das Kaffeehaus. Die Queues lagen ungenutzt auf den Billardtischen, die Gespräche waren gedämpfter, und kein atemloser Bote drängte mit einer eiligen Nachricht auf der Suche nach seinem Herrn durch die Räume.
    Aber heute drang der Lärm einer heftigen Debatte schon durch die geschlossene Tür.
    «Woher wisst Ihr, dass es diesen Toten tatsächlich gibt?» Die Stimme von Friedrich Reichenbach übertönte hell den allgemeinen Aufruhr.
    «Ein Kind, schmutzig und in Lumpen, hat einen anonymen Brief in der Hauptwache abgegeben. Und keiner weiß, wer ihn geschickt hat. In der Komödienbude soll eine Leiche liegen! Mehr stand nicht da. Das kann jeder behaupten …»
    «Papperlapapp», schrie Henbach, ein dicker Mann im modischen blauen Rock über weißen Kniehosen. «Nicht irgendeine Leiche, Pastor Voschering von St. Katharinen soll’s sein. Und der ist seit gestern verschwunden. War nicht zu Hause letzte Nacht, und wo sollte ein Pastor sich wohl rumtreiben?»
    Grölendes Gelächter rundum, und der kleine Reichenbach wurde zornrot.
    «Kennt Ihr Eure Hilfspastoren so gut? Vielleicht ist er ein Sünder, Ihr solltet eilig Euer Altarsilber zählen. Wer weiß, was fehlt, und der Pastor ist damit auf und davon …»
    «Jensen.» Claes war blass geworden und hielt den Wirt, der sich mit einem Tablett voller schmutziger Kaffeetassen durch die Menge drängte, am Arm fest. «Was ist hier los? Wer ist tot?»
    «Wahrscheinlich niemand. Regt Euch nicht auf.»
    Jensen sah Herrmanns freundlich an. «Und ganz bestimmt niemand, der mit Euch zu tun hat. In der Hauptwache hat einer einen Brief abgegeben. Da stand drin, dass Voschering, Ihr wisst schon, dieser neue pickelige Hilfspastor von St. Katharinen, mausetot in der Komödienbude liegt. Aber die Stadtwache hat keine Leiche gefunden. Nichts als Staub, Komödiantengerümpel und alte Bretter. Vielleicht war der dicke Wagner auch nur blind. Eins der Weiber, eine Blonde, die immer die Liebhaberinnen spielt und singt und tanzt, soll ihm völlig seinen dösigen Kopf verdreht haben. Glaubt mir, das Ganze ist nur ein unchristlicher Scherz. Und das so kurz vor Ostern.» Kopfschüttelnd eilte der Wirt in die Küche.
    Claes wurde übel. Ganz bestimmt niemand, der mit ihm zu tun hatte?
    Am frühen Freitagabend war der Hilfspastor mit devoten Verbeugungen an ihm vorbei die Treppe zu Augustas Salon hinaufgeeilt. Der Neffe ihrer Weißnäherin – oder war es die Hutmacherin? – hatte die begehrte Stelle nur bekommen, weil Augusta Hauptpastor Goeze sanft daran erinnert hatte, dass das neue Taufgeschirr ohne ihre Hilfe immer noch beim Silberschmied in Köln verstauben würde.
    Claes hatte seine Tante nicht nach ihrem Besucher gefragt. Warum auch? Voschering wollte sicher nur seine Gönnerin bei Laune halten.
    «Und selbst wenn er da gelegen hat, wer konnte es wissen?»
    Die Stimme des jungen Reichenbach drang wieder hell durch den Trubel. «Doch nur der, der ihn ums Leben gebracht hat. Wer sonst? Und wenn es die Komödianten waren, wie ihr alle glaubt, warum sollten sie selbst die Wache rufen?»
    Es wurde plötzlich still in Jensens Kaffeehaus. Niemand wusste eine Antwort.
    «Warum?», rief der junge Sachse. «Das wäre doch verrückt.»
    «Na und?» Levering, erst kürzlich zu Geld gekommen und in die Reihe der betuchten Kaffeehausbesucher und Börsianer emporgestiegen, war aufgesprungen. «Die sind doch auch alle verrückt. Ihr Sachsen seid vor lauter höfischer Kunstsinnigkeit ganz blind fürs Leben. Das ist ein gottloses Gesindel. Einige von denen sollen sogar aus anständigen Häusern kommen, das sind die Schlimmsten. Wer weiß, warum die sich dem Straßenvolk angeschlossen haben. Denen muss man alles zutrauen. Aus der Stadt jagen sollten wir sie …»
    «Langsam, Levering.» Joachim, der bisher für Claes unsichtbar an einem der hinteren Tische gesessen hatte, erhob sich und legte dem jungen Kaufmann beruhigend die Hand auf die Schulter. «Wir sollten besser dafür sorgen, dass die Komödianten nicht heimlich durchs Tor verschwinden können. Und Reichenbach hat nicht ganz unrecht.»
    Joachim sah den jungen Sachsen nachdenklich an.
    «Andererseits, vielleicht hat ein Nachbar in der Fuhlentwiete den Toten gesehen und sich nicht getraut, selbst zur Wache zu gehen. In der Neustadt gibt es genug Schlitzohren, die die Stadtsoldaten aus gutem Grund meiden wie die Pest …»
    «… und kaum einer von ihnen kann schreiben und lesen.» Obwohl

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