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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Reichenbach sich ein wenig beruhigt hatte, war sein Gesicht immer noch von Eifer gerötet.
    «Und ist der Brief nicht auf ordentlichem Bütten geschrieben? Das ist teuer, keines von diesen Schlitzohren hat je eine Papierhandlung betreten. Nein, den Brief an die Wache hat einer geschrieben, der den Komödianten schaden will.»
    Wieder brach ein Tumult los, und Claes bahnte sich erschöpft den Weg zurück zur Tür.
    «Wir werden ja sehen», hörte er Levering rufen. «Wagner hat Grandow aus Wellingsbüttel holen lassen. Der kriegt raus, ob das Pack einen umgebracht hat. Den können auch zehn Tanzmamsellen nicht blenden. Mit Weibern», er grinste breit, «hat der nicht viel im Sinn, und sein Hund findet jeden wieder. Tot oder lebendig.»
    Claes trat hinaus in das helle Vormittagslicht, bog in die Kleine Johannisstraße und machte sich auf den Heimweg. Er musste unbedingt mit Augusta sprechen.
    Seine Sorge um Anne hatte er ganz vergessen.
    Er hatte es eilig. Deshalb bemerkte er nicht, wie Friedrich Reichenbach mit gleicher Eile in die entgegengesetzte Richtung lief.
     
    Die Komödianten saßen im Kröger’schen Hof in der Mittagssonne und probten den Text zu dem Schäferspiel «Die holde Marietta und der Gänsehirt».
    Sie hörten Grandow schon von weitem. Er zog durch die Gassen wie ein Rattenfänger. Kinder und Bettler, Straßenhändler und einige Küchenmädchen, die sich auf dem Weg zum Markt entschlossen hatten, lieber dem Mann mit dem Hund nachzulaufen, folgten ihm, als führe er die Prozession am Waisengrüntag an. Immer in respektvollem Abstand, denn Hund wie Mann sahen aus, als käme man ihnen besser nicht zu nahe.
    «Macht Platz, weg da, geht doch nach Hause, Leute, hier gibt es nichts zu glotzen. Oder habt ihr noch nie einen Hund gesehen? Ihr stört uns nur bei der Arbeit. Geht nach Hause.» Wagner, der kleine, dicke Wachtmeister, hüpfte wie ein aufgeschrecktes Kaninchen neben dem Hundeführer her und versuchte vergeblich, das neugierige Gefolge fortzujagen.
    In der Fuhlentwiete flogen die Fenster auf, und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Neustadt: Grandow aus Wellingsbüttel ist da, gleich wird sein Hund, dieses schwarze Ungetüm mit den gelben Augen und schlabbernden Lefzen, Voscherings Leiche finden, und mit den Komödianten ist es ein für allemal aus.
    Vor dem Holztor zum Kröger’schen Hof blieb Grandow stehen. Er drehte sich um, und die nachdrängende Menge rutschte lachend und schimpfend ineinander.
    «Fass, Hubertus!», sagte Grandow ruhig. Mit wütendem Gebell und hoch über sein Wolfsgebiss gezogenen Lefzen stieg der Hund an dem kurzen Lederriemen und versuchte sich mit wütendem Jaulen loszureißen, um dem Befehl seines Herrn zu folgen.
    Kreischend stob die Menge auseinander, purzelte und stolperte zurück. Ein Eierkorb flog durch die Luft, eine Gans verlor ihr Leben, und drei Taschendiebe, die sich wie alle anderen nur aus Neugier unter die Menge gemischt hatten, machten in dem panischen Gedränge unverhofft Beute.
    «Aus, Hubertus!» Grandow zog kurz und kräftig an der Leine, und das Tier, eben noch eine geifernde Bestie, setzte sich schwer atmend, aber friedlich wie ein Lamm neben seinen Herrn. Bevor die Menge wieder vordrängen konnte, waren Herr, Hund und Wachtmeister im Kröger’schen Hof verschwunden, und Wagner hatte das Tor von innen mit dem Schließbalken verriegelt.
    «Fräulein Rosina», Wagner tupfte seine schwitzende Stirn mit einem roten Schnupftuch und verbeugte sich tänzelnd und mit flatternden Armen vor den Komödianten.
    «Fräulein Rosina», wiederholte er. «Ich bringe Euch Cordt Grandow, Ihr habt gewiss von ihm gehört, ein ausgezeichneter Mann, und sein Hund, ein nettes Tier, auch wenn es ein wenig grimmig aussehen mag …»
    «Wo ist die Komödienbude?», fragte Grandow, der die Tänzelei des Wachtmeisters für äußerst unwürdig hielt und deshalb so wenig beachtete wie die Komödianten, die sprachlos auf ihren Hockern saßen und den riesigen Fremden mit dem feuerroten Bart und dem kalbsgroßen schwarzen Hund anstarrten. Sie interessierten ihn nicht. Sie mochten Mörder sein. Aber das ging ihn nichts an.
    Obwohl die Weiber wirklich saftig waren. Die Blonde war ihm etwas zu mager, aber die Rote hätte er gern im Bett gehabt.
    Er schob die rote Faust in die Hosentasche und drehte sich um. Er und Hubertus hatten eine Leiche zu suchen, und wenn jemals eine hier gelegen hatte, würden Hubertus’ unvergleichliche Nase, seine Gier nach Blut

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