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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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tot«, sagte Niccolò. Der Maschine war es vermutlich genauso egal wie Junior und seinem Herrn, dass sie den Menschen getötet hatten, der Niccolò als Einziger ein wenig Wärme gezeigt hatte. Nicht so wie Isabella. Aber er war kein schlechter Mensch gewesen. Er hatte es nicht verdient, so zu sterben.
    »Er stand einfach im Weg«, erzählte Junior, als handelte es sich um eine amüsante Anekdote. »Wollte alles verraten. Dass mein Herr die anderen Menschen geschickt aus ihrem Dorf locken wollte, um es umzugestalten. Ich musste langein seinen Träumen verbringen, bis ich den grandiosen Plan verstanden habe. Er will aus Rimella ein Dorf machen, in dem Besucher so leben können, wie es die Menschen vor hundert Jahren hier in der Langhe taten. Deswegen ließ er auch ein neu gebautes Haus verschwinden, Werbeplakate, Zigarettenautomaten, all so was. Es war ihm unheimlich wichtig, dass die Menschen schnell ihre Häuser verließen, denn er wollte schließlich ihre alten Möbel haben.« Juniors Augen blitzten vor Bewunderung. »Er brachte den Berg zum Abrutschen. Die Menschen flohen, überließen ihm ihre Häuser. Er ist ein großer Führer. Und dieser Mann, der Tote, er hatte es herausgefunden, wollte meinen Herrn an mächtige Menschen verraten. Die hätten ihn dann in einen Zwinger gesperrt und nie mehr freigelassen. So was lässt er sich natürlich nicht gefallen. Ein andermal standen ihm drei Wölfe im Weg, dann ein fetter Mastiff. Das dumme Vieh verbellte ihn so laut, dass er drohte, entdeckt zu werden. Da hat er ihm einen der explodierenden Stäbe zwischen die Beine geworfen. Eine Riesensauerei, sag ich dir. Mein Herr ist wie wir, für ihn gilt das Gesetz des Stärkeren. Er nimmt sich, was er will, und was ihn daran hindert, das beseitigt er. «
    »Und geht über Leichen.«
    »Er ist ein echtes Leittier.« Junior hob sein Haupt, als würde dies auch für ihn eine herausgehobene Position bedeuten. »Jetzt gerade führt er die Sache zu Ende. Er räumt endlich den Dreck weg, diese verlausten Wölfe. Er hat Maschinen, die keinen Laut machen, und wird sie auf alles richten, was sich im Dorf bewegt. Also lauf bloß nicht runter! Diese Nacht wird keiner überleben.«
    Niccolò stürzte sich in den Nebel wie ein Lachs in den Fluss. Es gab keinen Zweifel über das Ziel. Und über die Aufgabe, welche ihm zukam. Er sparte nicht am Tempo, riskierte gegen einen Wolf zu stoßen, über einen Leichnamzu fallen, sich die Läufe zu brechen. Es kam alles auf ihn an. Das Wort musste sich schnell verbreiten.
    Die Übermittler fand er in der Kirchturmspitze, wo ihre Rasse seit jeher zu Hause war.
    Doch die Krähen waren ihm übel gesinnt. Vor allem aber waren sie mit anderem beschäftigt. Aus Kleiderbügeln hatten sie sich hier ein Nest gebaut, in dem nun die Bruterzeugung vonstatten ging.
    Niccolò war außer sich. »Zu euren Füßen sterben Wölfe und Hunde, aber ihr habt nichts Besseres zu tun, als euch zu paaren?«
    »Gefressen haben wir schon«, sagte der männliche Vogel und ging weiter der Arterhaltung nach.
    »Helft mir, oder ich fresse euch! Solltet ihr wegfliegen, zerstöre ich euer Nest und werde dafür sorgen, dass ihr Krähen bis ans Ende aller Tage von den Bewohnern Rimellas, seien es Wölfe oder Hunde, verfolgt werdet.«
    »Die Wölfe werden einen Dreck auf seine Worte geben«, sagte das Weibchen zu ihrer Gefährtin. »Warum hörst du auf? Mach weiter!« Doch ihr Partner hatte das Gebiss eines Italienischen Windspiels im Flügel. Niccolò sprach nun durch die geschlossenen Zähne weiter.
    »Ich hab herausgefunden, dass die Menschen für alles verantwortlich sind. Sie sind es, an denen wir uns rächen müssen. Ab jetzt kämpfen wir Seite an Seite mit den Wölfen. Das Morden zwischen uns muss ein Ende haben. Sofort! Die Wölfe müssen es erfahren und herkommen. Seid ihr dabei, oder soll ich mein Maul endgültig schließen?«
    »Nu hilf ihm schon, worauf wartest du denn?«, rief das Weibchen. Niccolò wusste, dass Krähen im Ruf standen, die klügsten aller Vögel zu sein. Zumindest was die Frauen anging, schien das zu stimmen.
    »Und was machst du?«, fragte ihr Liebhaber. »Sitzt hier rum und wärmst dir den Hintern?«
    »Quatsch! Ich komme mit. – Sollen sich alle hier an der Kirche versammeln, Windspiel?«
    Niccolò kam ins Stottern. »Äh, ja, gute Idee.« »Natürlich«, sagte das Weibchen. »Als Dankeschön lasst ihr die Krähen Rimellas in Zukunft in Frieden, klar? Also keine Störungen mehr, wenn wir uns vergnügen?«

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