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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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»Abgemacht.«
    »Das dachte ich mir«, sagte das Krähenweibchen und flog los, gefolgt von ihrem Begatter. Sie rief etwas, von oberhalb des Turms lösten sich weitere schwarze Schatten. Die Wölfe würden den Krähen vertrauen. Niccolò musste nun die Hunde zusammentrommeln. Deshalb begann er zu rufen, drei Worte »Hunde zur Kirche!«, immer wieder. Manche der sich nähernden Schritte waren stolpernd, fallend oder schleifend, doch viele waren trotz hörbarer Erschöpfung noch fest im Tritt.
    Wölfe näherten sich nicht.
    Auch die Krähen kamen nicht zurück.
    Dann geschah etwas, das Niccolò die morsche Kirchturmleiter hinunterjagen ließ. Es war, als fielen die Sterne vom Himmel. Sie schienen zornig zu sein, denn sie brachen durch den Nebel. Auf die Piazza zu. Als er ins Kirchenschiff gestürzt kam, blickten ihn die Augen der Überlebenden an. Es waren viel weniger, als er erwartet hatte. Niccolò erklärte ihnen schnell die Situation.
    Oder versuchte es.
    Es war nicht das, was sie hören wollten. Ganz und gar nicht.
    »Soll das heißen, wir haben uns umsonst abschlachten lassen? Und dass unsere Menschen nicht zurückkehren werden?«, fragte Franca, Schaum vor ihrem Maul. »Du hast uns hierher gebracht, Niccolò! Nur du! «
    Die Pekinesenhündin hatte den Gedanken, welchen Niccolò seit dem Gespräch mit Junior mit aller Kraft weggedrückthatte, wie einen dunklen Vorhang hervorgezogen. Jetzt verschloss er seine Welt.
    »Du redest Quatsch, Süße«, sagte Pinkie. »Wir sind alle alt genug, um selber zu entscheiden, was wir tun. Außerdem: Haben die Wölfe nicht eure Freunde Beppo und Knorpel umgebracht? War das nicht Grund genug für die Schlacht? Wir haben es ihnen heute heimgezahlt, haben eine Grenze gezogen.«
    »Die verdammt teuer bezahlt wurde.« Franca kläffte den Pudel an. »Machen mehr Leichen die Sache etwa gerechter?«
    »Wollt ihr Grundsatzdebatten führen oder etwas gegen die unternehmen, die gerade in unser Dorf einfallen?«, fragte Blitz. Das brachte die anderen zum Schweigen.
    Dann wurde das Kirchentor aufgedrückt.
    Es waren die Wölfe. Und ein Hund.
    Sie waren misstrauisch.
    Nur die beiden vorne nicht. Neben Giacomo stand der junge Wolf, der Niccolò hatte helfen wollen.
    »Wenn ihr es ernst meint«, sagte dieser, »ist nun der Zeitpunkt gekommen, ein Stück gemeinsam zu gehen.«
    Niccolò blickte sich um, zu den Hunden, die sich hinter den Säulen der Kirche positioniert hatten oder die kampfbereit auf die Kirchenbänke gesprungen waren.
    »Die Nacht ist noch jung«, rief er. »Findet ihr nicht?« Und Niccolò rannte hinaus, vorbei an den Wölfen, durch das offene Tor, auf seine Piazza. Ihm folgten unzählige Pfoten über den steinernen Kirchenboden.
    Es war das schönste Geräusch der Welt.
    Der Mond brach endlich durch die Nebeldecke. Wenn er Sinn für Dramatik gehabt hätte, wäre sein Licht auf das goldbeschichtete Kreuz aus dem 16. Jahrhundert gefallen, das im Altarraum hing. Stattdessen ließ er sich auf einer kleinen, vergilbten Malerei nieder, welche die fünfte Stationdes Passionswegs zeigte. Simon von Kyrene half Jesus das Kreuz zu tragen. In der rechten Bildecke saß ein struppiger Hund und sah mitleidig hoch. Es mochte auch ein Wolf sein. Auszumachen war dies nicht.
    Doch niemand beachtete den Mond, denn die Meute stürzte hinaus zu den zornigen Sternen. Niccolò sah die mörderischen, länglichen Menschenmaschinen sofort. Der vordere Teil war dicker als der Rest. Und obwohl neben ihm ein Wolf zu Boden ging, augenscheinlich von der Maschine verletzt, hörte er kein Geräusch. Maskierte Menschen sprangen von der Ladefläche des Lasters und schmissen den toten Wolf hinauf, bevor jemand reagieren konnte.
    Es ging alles rasend schnell.
    Dies sollte ein Massaker werden.
    Und er hatte alle hineingeführt. Niccolò zitterte, der ganze Körper des kleinen Windspiels vibrierte, als bebe die Erde.
    Doch dann sah er etwas, das ihn wieder stillstehen ließ. Es war, als ob man Ameisen beim Bau einer Straße zuschaute. Jeder schien seine Aufgabe genau zu kennen. Die Zirkushunde sprangen gekonnt auf die Wagen und bissen in die nur durch lederne Handschuhe geschützten Finger der Menschen, die herunterfallenden Waffen wurden von den Dachshunden weggeschafft, und die Wölfe attackierten mit ihrem mächtigen Gebiss die Wagenräder. Ob sie Schaden anrichteten, konnte Niccolò nicht erkennen, aber Angst machten sie den Angreifern auf jeden Fall. Eine vierte Gruppe, bestehend aus den Hunden Rimellas und

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