Tod & Trüffel
Albas, hatte es auf die Scheinwerfer abgesehen. Sie ließen einen nach dem anderen erblinden. Ohne Licht waren die Menschen im Nachteil, ihre Augen und Nasen waren denen der Vierbeiner weit unterlegen.
Keiner der Hunde starb mehr, auch die Wölfe hatten keine Verluste zu beklagen. Niccolò rannte zum Brunnen und sprang hinauf, um alles im Blick zu haben. Der Nebellichtete sich weiter und gab immer mehr des Dorfes preis. Über einige der Hunde- und Wolfsleichen auf der Piazza waren die Menschen mit ihren Lastern gefahren, hatten sie aufplatzen lassen wie alte Tomaten. Aus einer dunklen Ecke sah Niccolò den Spürer hervortreten. Er hielt auf die vielen Toten zu und wirkte unfassbar glücklich.
Richtung Lagiorno, in sicherer Entfernung zum Geschehen, parkte ein schwarzweiß gestreifter Wagen am Straßenrand, den Niccolò schon einmal gesehen hatte. Auf dem Barolo-Weingut, in dem Juniors Herr lebte. Im Inneren des Wagens glühte etwas auf, dann gesellte sich ein weiterer heller Punkt dazu, direkt daneben. Niccolò wusste, dass es von den kleinen Feuerstäben stammte, an denen die Menschen so gerne lutschten. Je nervöser sie waren, desto häufiger. Der Mensch im Auto musste sehr unruhig sein. Er hatte gleich zwei im Mund. Niccolò sprang vom Brunnen und rannte hin.
Es war Juniors Herr. Es war der Mörder seines Menschen. Der Urheber des verlassenen Rimella, der Auslöser von allem Unglück, das zu all dem Blutvergießen geführt hatte. Niccolò sah die Angst in seinen Augen wie eingesperrte Frettchen rasen.
Schnell sprang das Windspiel auf die Kühlerhaube. Innen glühte es wieder auf, dann wurde der Motor gestartet. Ein Biss in den Scheibenwischer war das Einzige, was Niccolò vor dem Abrutschen rettete. Auch als sein dürftiger Halt sich in Bewegung setzte, ließ er nicht los, setzte tiefer an, da, wo der metallische Arm kleinere Halbkreise beschrieb. Er konnte nicht sehen, was sich hinter ihm abspielte. Nur hören konnte er es.
Mit quietschenden Reifen wendete der Wagen und schoss aus Rimella hinaus. Doch er war nicht allein, Hunde und Wölfe rannten neben dem Auto her. Da die Straßen schmal und die Kurven eng waren, konnte er ihnen nicht entkommen.Den Verfolgern gelang es aber nicht, in die sich schnell drehenden Reifen zu beißen.
Niccolò sah durch die Fensterscheiben, dass die Zahl der vierbeinigen Verfolger im Rücklicht nach und nach abnahm. Die Schlacht forderte ihren Tribut. Der alte Giacomo war der letzte Hund, der durchhielt, danach blieben nur Wölfe, doch auch ihre Zungen hingen schon weit heraus. Gleich würden sie die Stelle passieren, an der Cinecitta vom Erdboden verschluckt worden war. Von dort an würde die Straße geradeaus verlaufen und breiter werden.
Dann wäre er allein mit dem Mörder.
Obwohl er sich im Scheibenwischer festgebissen hatte, schaffte er es, kurz und panisch aufzujaulen. Die Wölfe preschten links und rechts herbei, holten die letzten Reserven aus ihren müden Muskeln und stürzten sich auf die Kühlerhaube zu Niccolò, krallten sich fest in der Gummierung des Fensters. Versperrten die Sicht. Fletschten die Zähne in Richtung des Fahrers, schlugen mit ihnen gegen das Glas. Im Inneren des Wagens fielen zwei Zigarillos aus dem Mundwinkel, versenkten das Hosengewebe und brannten sich hindurch. Die Hände vom Steuerrad versuchte Burgnich das Schlimmste zu verhindern, verlor dabei aber die Kontrolle über seinen Lamborghini. Der Wagen geriet in Schieflage, Niccolò und die beiden Wölfe wurden herunterkatapultiert. Das Auto überschlug sich und landete krachend auf der Seite, den Kühler tief in die Erde des Weinbergs gesenkt.
Niccolò rappelte sich als Erster auf, wollte hin, durch die zerborstenen Fenster zu dem Menschen im Innern und … Was eigentlich?
Einen Menschen töten?
Das widersprach allem, was Generationen von Windspielen an Gehorsam und Respekt vor Menschen gelernt hatten. Es war gegen die natürliche Ordnung. Nur Verrückte übertratendiese und wurden dafür bestraft. Auch die Wölfe, die sich nur sehr zögernd dem zerbeulten Wagen näherten, hielten sich daran. Sie wehrten sich, natürlich, doch Angriffe kamen fast nie vor.
Die Wagentür öffnete sich. Der Fahrer taumelte heraus, seine Stirn wies eine tiefe Wunde auf, Blut lief in einem breiten Strom über Nase, Mund und Kinn, das rechte Bein stand ab dem Knie verdreht zur Seite, und er konnte es nicht aufsetzen, hielt sich mühsam am Rahmen der offenen Tür fest.
Es grummelte.
Doch am Nachthimmel war
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