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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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der weiße Wolf ihn und blickte so entgeistert, als stände Vespasian in Flammen.
    »Was tust du hier, Verräter?«, fragte Grarr.
    »Ich habe auf dich gewartet.«
    »Was? Aber ... « Vespasian konnte in Grarrs Gesicht lesen. Dem Leitwolf wurde mit einem Mal klar, dass er in eine Falle getappt war. Die Trüffel hatten ihn hierherlocken sollen. »Und nun? Willst du es etwa allein mit mir aufnehmen? Bei Romulus und Remus! Und ich hatte mir für einen Augenblick Sorgen gemacht.«
    Vespasian stieß nochmals einen Heuler aus, rief Giacomo, der versprochen hatte, ihm in diesem ungleichen Kampf beizustehen. Doch der alte Trüffelhund zeigte sich nicht, der Nebelkreis blieb geschlossen.
    »Eine wunderbare Falle«, sagte Grarr zynisch. »Sie hätte von mir gestellt sein können – für dich.«
    Vespasian sah die zahlreichen Wunden an Grarrs Körper, doch sie schienen sein Gegenüber nicht zu behindern, die vielen Trüffel mussten sie von innen verschlossen haben. Und seinen Kampfeswillen schienen sie zu befeuern.
    Grarr stürzte sich auf ihn.
    Es war plötzlich, als sei die Luft durchsetzt mit Krallen.Sie trafen Vespasian wie schneidend scharfer Hagel. Er versuchte auszuweichen, selber Attacken zu setzen. Doch Grarr griff wie irre an, als würde nicht nur die Wut gegen Vespasian, sondern gegen viel mehr in ihm rasen.
    Der einzige Vorteil des jungen Wolfes war, dass er diesen kleinen Flecken Langhe in der Zeit des Wartens hatte studieren können. Er wusste, wo der Boden einen zum Stolpern brachte und welche Kanten der Tiefkühltruhe scharf wie Klingen waren. Das fügte Grarr einige Wunden zu. Doch mit jeder einzelnen schwand einer der Vorteile Vespasians. Grarr teilte immer mehr seiner Geheimnisse.
    Der junge Wolf kam im Kampfgewühl nicht dazu, Giacomo nochmals zu rufen. Er würde den stärksten Wolf des Rudels im Alleingang besiegen müssen.
    Oder fliehen.
    In diesem Moment tauchte der alte Trüffelhund auf.
    Nun würde sich der Kampf wenden, jetzt waren sie zu zweit!
    Doch Giacomo kam ihm nicht zur Hilfe. Er setzte sich hin und beobachtete das Geschehen in aller Seelenruhe.
    Grarr hielt inne. »Giacomo, welch unerwartete Freude. Habe ich etwa dir dieses Trüffellager zu verdanken?«
    Vespasian war so verwirrt über die Bekanntschaft der beiden, dass er völlig vergaß, einen erneuten Angriff zu starten. Stattdessen blickte er zu Giacomo, der sich die Pfoten leckte. »Hat doch geklappt.«
    Es folgte ein Sprung, der Vespasian an den Sturzflug eines Adlers erinnerte. Grarr war in kürzester Zeit über Giacomo und versetzte ihm einen mörderischen Schlag auf sein Rückgrat. »Komm mir in die Quere, und ich beende dein morsches Leben umgehend.« Er wandte sich wieder Vespasian zu. Das heißt: Er griff sofort an, die Überraschung seines Gegners kaltblütig nutzend.
    Die Wunde war tief, der Schmerz grell. Doch erleuchteteer auch Vespasians Sinne. Während der nächsten Momente, die von Lauern und Beobachten bestimmt waren, blickten die beiden Wölfe immer wieder zu Giacomo, unsicher darüber, wie er sich verhalten würde. Der alte Trüffelhund hatte sich schnell wieder hochgerappelt und leckte nun seine Wunde.
    Eingreifen wollte er anscheinend nicht.
    Das machte Vespasian wütend. So im Stich gelassen zu werden von dieser Missgeburt, die allen Ernstes von Vertrauen gesprochen hatte. Er wollte sich nun an diesem alten, verkommenen Hund rächen. Und Grarr stand ihm dabei im Weg.
    Er steigerte sich in Raserei. Je mehr er dies tat, desto kleiner schien Grarr zu werden, desto seltener trafen ihn dessen Krallen, desto häufiger musste er ihm hinterher, ihn stellen. Vespasians Kraft schien trotz allem nicht zu schwinden. Er brauchte sie ja noch für Giacomo, den Hauptgang seiner Rache.
    Der junge Wolf merkte gar nicht, wie er Grarr Wunde um Wunde dem Erdboden näher brachte. Bis der mächtige Leitwolf vor ihm blutend und entkräftet zusammenbrach. Kein Flehen drang aus seiner Kehle, nur ein Blick, der Vespasian zeigte, dass Grarr diese Niederlage nicht akzeptierte. Er fletschte die Zähne, er verteidigte seinen geschundenen Leib.
    »Lass ihn laufen, er ist geschlagen«, sagte Giacomo. »Du wirst ihn nicht mehr wiedersehen.«
    »Von dir soll ich mir etwas sagen lassen? Der du seelenruhig zugesehen hast?«
    »Recht habe ich trotzdem.«
    »Wenn ich ein Hund wäre wie du, würde ich ihn laufen lassen. Doch ich bin ein Wolf. Für uns gelten andere Gesetze.« Und er riss Grarr den Leib auf. Vespasians Haupt war voller Blut, die Wärme

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