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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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zu werden, deren Fundament gerade nach oben kletterte.
    Es war eigentlich viel zu einfach, dachte die Kralle. Andererseits blieb ordentlich Zeit für die eigentliche Tötung, wenn die Jagd wegfiel. Wie damals bei Aurelius.
    Sie fuhren ihre spitzen Klauen aus wie gedungene Mörder ihre Dolche. Einer von ihnen hielt auf den Unglaublichen Houdini zu. Der schwarze Affenpinscher war gerade vom obersten Ende der Hundepyramide nach ganz unten gefallenund rappelte sich auf für den Wiederaufstieg. Ein Hieb, und er flog krachend gegen eine hölzerne Kirchenbank, an der er benommen liegen blieb. Die Kralle drehte ihn auf den Rücken und hob bereits den rechten Vorderlauf, um genug Schwung für den entscheidenden Schnitt zu haben.
    Als sich das Tor öffnete.
    Es waren die Schmutzwölfe. Sie drangen in das Kirchenschiff.
    »Geht wieder ... wir ... wollen eure Hilfe hier... jetzt nicht. Sucht ... euch selber ... Beute, sofern ihr dazu … überhaupt in der Lage seid.«
    »Oh, das sind wir durchaus. Die Beute haben wir bereits gefunden.« Zum Erstaunen der Kralle sprach nicht ihr Anführer, der junge Wolf mit dem klaren Blick, sondern ein älterer, dessen Fell besonders stark mit Dreck und Staub bedeckt war. Er schüttelte sich nach seinen Worten ausgiebig. Jetzt erst war zu sehen, dass sein Fell fast vollständig schwarz war, und ohne die Erdklumpen an seinen Ohren zeigte sich ihre spitze Form, die ihn wie eine große Fledermaus wirken ließ.
    »Schwarzreißer«, sagte die Kralle. Alle drei Wölfe gemeinsam.
    »Findet ihr nicht, dass es kalt ist? Mir ist, als wäre Winter, und unsere Mägen wären leer.« Immer mehr der Schmutzwölfe schüttelten sich aus. »Unsere letzten Beutetiere wurden gar von unseren Brüdern und Schwestern aus der Langhe gerissen. Wir leiden bitteren Hunger, er duldet keinen Aufschub. Es tut uns sehr, sehr leid.«
    Die Kralle zeigte keine Angst. »Kommt nur ihr ... sollt zu ... Beute werden.« Sie stand mit den Hinterteilen beieinander und deckte so einen vollen Kreis um sich ab. Kein Angriff käme überraschend. Noch nie war sie besiegt worden, in ihrem Geist gab es keine Vorstellung echter Gefahr.
    Die Zirkushunde waren mittlerweile allesamt auf denBeichtstuhl geklettert. Wie sie das geschafft hatten, wusste keiner der Wölfe.
    Es war Schwarzreißer selbst, der mit zwei seiner stärksten Kämpfer einen der Kralle mit den Zähnen herauszog, während sein Rudel die anderen beiden in Schach hielt. »Haltet ihn gut fest«, sagte er ruhig. Jeder Lauf dieses Leibs der Kralle wurde daraufhin von einem Gebirgswolf ins Maul genommen, das Opfer auf den Rücken geworfen. Die verbliebenen Teile der Kralle wurden durch eine Mauer aus grauen Leibern eingesperrt.
    Jetzt erst schien der Kralle klarzuwerden, was geschah. Dass dies ihr Ende sein konnte.
    »Mutter ... Große Mutter ... rette deine Kinder!« Die beiden abgetrennten Leiber der Kralle rollten sich zusammen wie Welpen nach der Geburt, suchten Schutz unter dem eigenen Körper, begannen zu winseln.
    Schwarzreißer heulte auf, die Seinen stimmten ein. Er schnitt den vor ihm prangenden Bauch tief auf, die Eingeweide fielen klatschend auf den steinernen Kirchenboden. Der geöffnete Wolfskörper zuckte nicht einmal mehr. Direkt danach wandte sich Schwarzreißer den beiden Verbliebenen zu. Sie sahen ihn mit großen Augen an, ihre Körper auf den Rücken gedreht, sich vollends ausliefernd.
    »Schwarzreißer ... wir flehen ... verschone uns ... wir waren doch ... Grarrs.«
    Sie blickten sich an. Versuchten es nochmals.
    »Mächtiger Wolf ... wir taten ... Grarr.«
    Die Worte machten keinen Sinn mehr. Wie panisch blickten sich die beiden an, heulten, knurrten, fiepten, begannen sich im Kreis zu drehen, sprangen dann zum Dritten im Bunde, der tot im Mittelgang lag. Leckten und bissen ihn, stupsten und kratzten. Wie im wilden Tanz eines geköpften Huhns rasten sie danach durch die Kirche. Eine Runde nach der anderen. Am Ende humpelten sie, als wäre eines ihrerBeine abgenommen worden, obwohl doch alle noch am Platze waren, verkrochen sich dann im Beichtstuhl, leckten Wunden, wo keine waren, stießen Worte aus, die nur Fetzen waren.
    Schwarzreißer sah sein Rudel an. »Die Kralle ist tot. Stattdessen hat das verfluchte Rudel der Lupa Romana nun zwei irrsinnige Mäuler mehr durchzufüttern. Die Erde ist gerecht.«
    Sie verließen die Kirche.
    Kein Zirkushund sagte auch nur ein Wort.
     
    Vespasian sah, wie Grarr hastig die Trüffel herunterschluckte. Danach erst bemerkte

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