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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Dann kam die Angst hoch, entdeckt zu werden, wenn der Wind kurz drehte oder eine von Grarrs Patrouillen sie erspähte. Laetitia versuchte, ihr Herz zu beruhigen, das immer lauter in den Ohren pochte. Warum setzte sie sich dieser Gefahr aus?
    Weil sie einen Namen hören wollte, ohne danach fragen zu müssen. Nur darum.
    Einen Namen, der immer weiter weg schien und den niemand des Rudels mehr auszusprechen wagte. Doch in Grarrs Höhle, die Laetitia nun wie ein weit geöffneter, lippenloser Schlund erschien, fiel er jetzt. »Verschwendet keine Gedanken an Aurelius, sein Weg ist vorgezeichnet. Niemand kann ihn davor bewahren. Er ist vollends allein. Unser Interesse muss Rimella gelten. Ich werde dort nun meinen Platz einnehmen. Habt ihr für alles Sorge getragen?«
    Die Stimme der Kralle war jetzt zu hören. Wie immer sprachen sie langsam und monoton. Die drei Wölfe teilten eine einzige Weltsicht, und auch ihr Trachten war eins. Sie wechselten mitten im Satz von einem zum anderen über.
    »Mit Rimella ist ... verfahren worden ... wie besprochen. Es ist eine Pracht ... doch wir werden jagen ... du rufst uns. «
    Dann schossen sie aus der Höhle und den Hang hinunter wie Adler im Sturzflug, ihr Lauf kannte nur einen Rhythmus.
    Der Wind drehte.
    Aus dem Inneren der Höhle drang nur noch Stille. Laetitia schlich rückwärts, ihre Pfoten ertasteten sich den Weg durch den Busch, während sie unentwegt zum steinernen Höhleneingang zurückblickte. Keine Schnauze erschien, Grarr würde wohl schlafen.
    Sie würde jetzt Aurelius suchen. Sein Weg war nicht vorgezeichnet, sie würde ihn schützen. Aurelius mochte ein dummer, alter, verstockter, eigensinniger Wolf sein, aber ein einsamer wäre er bald nicht mehr.
    »Hast du noch nicht genug bekommen?«, zischte plötzlich Grarr hinter ihr, dann stürzte er sich auf sie. Laetitia sah nur noch weiß, versuchte zu beißen, doch wusste nicht wohin, schlug ihre Zähne immer geradeaus zusammen, spürte die Spitzen seines Fangs an ihrem Nacken, das Fell durchpflügend, ihre Haut berührend, fühlte seine Krallen auf ihrem Bauch.
    Laetitia war eine gute Kämpferin. Als Leitwölfin musste sie täglich ihren Platz behaupten, musste das Rudel ebenso schützen können wie Grarr.
    Doch es war zu Ende, bevor es angefangen hatte.
    »Bei Romulus und Remus, was soll das?«, brachte Laetitia hervor. »Darf man dich nicht mehr aufsuchen, um einen Rat einzuholen? Wird man sogleich erlegt?«
    Sein Biss lockerte sich. Er ließ es zu, dass Laetitia sich aufrappelte, doch sein Haupt blieb gesenkt, seine Zähne gebleckt. So wütend hatte die Wölfin ihn noch nie gesehen. Grarr war sonst immer sehr besonnen.
    »Welchen Rat wolltest du denn? Wie man lauscht, ohne dabei ertappt zu werden?« Er kam wieder näher. »Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, töte ich dich!«
    Mit großer Beherrschung drehte Laetitia sich um. Sie benahm sich, als hätte sie nichts zu befürchten. »Ich wollte dich nur fragen, ob es ratsam für mich ist, nach Rimella zu gehen. Bisher durften nur die Patrouillen dorthin.«
    » Das wolltest du also wissen?«, zischte Grarr und kam so nah, dass sie seinen Atem spürte. »Aber das geht dich nichts an. Nur was ich dir sage, geht dich von nun an etwas an. Hast du mich verstanden?«
    Laetitia ging weiter, den Kopf stolz erhoben. Er mochte der Leitwolf sein, doch sie war die Leitwölfin, keine Lakaiin, und erst recht kein Jungspund, dem man Manieren beibringen musste. »Dann sag mir jetzt, ob ich nach Rimella gehen kann!«
    Grarr schlich um sie, und mit einem Mal spürte sie wieder seinen Fang am Nacken, doch er biss nicht zu. Die nächsten Worte quetschte er zwischen den Zähnen hervor. »Wer gegen mich kämpfen will, hat schon verloren. Ich werde in Zukunft besonders auf dich achten, Laetitia. Wenn es sein muss, mit sechs Augen.«
    Als sie sich umsah, war er bereits fort, verschluckt von seiner Höhle. Laetitia behielt die schwarze Undurchdringbarkeit im Auge, als sie rückwärts weiterging, bis sie außer Reichweite war. Doch die Angst blieb, plötzlich wieder angegriffen zu werden.
    Aurelius war Richtung Westen losgezogen, zu den hohen Bergen, diesen Weg würde auch sie nehmen. Sein Duft war längst verweht, und seine Spuren im weichen Waldboden waren nicht mehr zu erkennen. Doch sie wusste, wohin er wollte, und sie würde ihn finden, schnell finden.
    Sie rannte los. Mit jedem Schritt fort von Grarrs Höhle wurde das Laufen leichter, denn die Angst schien wieschweres Winterfell von

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