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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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benahm sich wie zu Hause in Rimella. Doch Alba war wie ein Dutzend Rimellas, wie eine Herde Dörfer, die man eng zusammengetrieben hatte. Auch wenn er am Himmel nur selten den Turm der Kathedrale erspähen konnte, wusste er doch stets, wo sie liegen musste. Die größte Schwierigkeit auf dem Weg dorthin bestand darin, sich nicht durch verlockende Düfte vom Weg abbringen zu lassen, die seine Nase neckisch umspielten. Nicht von den Aromen nach Cacciatorini, nach Paprikaschoten in Öl oder nach Schnecken aus Cherasco.
    Der Vormittag war ruhig, die Stadt atmete flach, nur wenige waren unterwegs. Die Piazza Risorgimento war menschenleer, als er dort ankam, selbst am Zeitschriftenkiosk an der Ecke zur Via Vittorio Emanuele II waren die Rollläden heruntergelassen. Die Kathedrale lag zu seiner Linken wie ein roter Berg. Hier irgendwo lebte Giacomo also in einem Palast. Der konnte nicht schwer zu finden sein. Niccolò hatte zwar keine Vorstellung davon, wie so ein echter Hundepalastaussah, aber wenn er ihn in all seiner Pracht sähe, würde er es sofort wissen.
    Mit einem Blick war sich Niccolò sicher. Der Palast lag gegenüber dem Kiosk. Eine große Uhr zierte seine Front, darunter ein prächtiger Rundbogen. Als er durch diesen rannte, konnte er das edle Wappen mit rotem Kreuz, zwei Blätterzweigen und einer Krone sehen, deren Spitzen mit Edelsteinen und Perlen besetzt waren. Ein schweres gusseiserners Gitter versperrte den eigentlichen Eingang. Er konnte warten, dachte Niccolò, zu einem Hund wie Giacomo musste man vorgelassen werden, so viel stand fest, sicher kamen viele, um seine Hilfe zu erbitten. Also legte er sich in den kühlen Schatten und schlief, bis ihn ein Uniformierter mit dem Fuß leicht in das Hinterteil trat und versuchte, ihn zu verscheuchen. Niccolò bellte, erklärte, was und zu wem er wollte. Doch der Mensch verstand ihn nicht, gab ihm nur zu verstehen, dass er abhauen solle. Das Tor war mittlerweile geöffnet. Menschen gingen hinein, doch niemand mit einem Hund.
    Was konnte das bedeuten?
    Lebte Giacomo doch in einem anderen Palast? Aber auf der Piazza gab es keinen weiteren. Vielleicht war in den Seitenstraßen einer, der noch prachtvoller war, noch größer, mit noch mehr Glanz und Figuren an den Wänden, mit größeren Gittern und einem Wappen mit Hunden und Trüffeln darauf!
    Niccolò suchte in jeder Straße, jeder Gasse, jedem Hauseingang, und der Tag wurde lang und länger, denn was er suchte, gab es hier nicht, und die Stadthunde, die an Leinen vorbeiflanierten, sprachen nicht mit ihm, dem verwahrlosten Streuner, knurrten ihn nur an, wenn er zur Begrüßung ihren Duft erschnuppern wollte. Nach dem Kampf mit dem Bullterrier in der Weinbergshütte und den Wunden durch den Autounfall war er zerrissen und zerschlissen wie einalter Schuh. So abfällig hatten ihn andere Hunde noch nie behandelt.
    Doch Niccolò gab nicht auf.
    Vielleicht hatte er falsche Vorstellungen. Vielleicht sah ein Palast für einen Hund wie Giacomo ganz anders aus. Vielleicht lag sein Palast unter der Erde, bei den Trüffeln, und darüber war eine Metzgerei, die nur für ihn arbeitete.
    Also suchte Niccolò weiter. Als er immer noch nicht fündig wurde, hielt er nach einer riesigen Hundehütte Ausschau, dann nach einer großen Eiche, die Trüffel ja so liebten. Doch auch solche Behausungen fand er nicht.
    Als es Nacht wurde in Alba und plötzlich aus all den Häusern, die wie tot an den Straßen gelegen hatten, Menschen kamen, war keine Hoffnung mehr in ihm.
    Er würde Giacomo hier nicht finden.
    Der Dachshund hatte gelogen.
    Niccolò war wütend über diese gemeine Lüge, dazu kam der Hunger, den er nach Beendigung der Suche nun stärker spürte als zuvor. Er war miserabeler Laune. Alles Essbare war ihm recht, und als er in einer kleinen Gasse zwischen zwei Restaurants landete, wo er Küchenabfälle vermutete, kam ihm ein Zipfel Crutinwurst sehr gelegen, der unter einer alten Tür hervorlugte. Mit einem Pfotenhieb hatte er ihn zutage gefördert und verschlang ihn sogleich. Er nahm sich nicht einmal Zeit, den Geschmack von luftgetrocknetem Schweinefleisch zu genießen, sondern schlang den Zipfel direkt herunter. Doch danach war er immer noch hungrig.
    »Du hast gerade mein letztes Stück Crutin gegessen«, sagte ein Hund und zwängte sich durch den Spalt in der alten Tür. Er wirkte nicht wütend, eher lethargisch. Sein Körper wies Schrammen auf, wie von einem dornigen Busch.
    »Wusste ja nicht, dass es deins ist. Was auf der

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