Tod an der Ruhr
betrachtete die Weibsbilder schweigend. Was ihm dabei in den Sinn kam, regte ihn auf und erschreckte ihn zugleich. Die Frauen waren ihm ausgeliefert. Er konnte von ihnen verlangen, was er wollte. Sie würden es ihm gewähren. Ja, sie würden ihm sogar gern zu Willen sein, wenn er nur verspräche, sie anschließend laufen zu lassen.
Zweifellos war ihnen klar, dass ihnen Gefängnis und Arbeitshaus drohten, wenn er sie vors Gericht schleifen würde. Das hatte Grottkamp allerdings gar nicht vor. Er hatte die Absicht, die beiden Weibsbilder nach einer Nacht im Pitterkasten davonzujagen, so wie er es gewöhnlich mit zwielichtigen Personen tat, die er zum ersten Mal aufgegriffen hatte.
»Sind Sie noch da, Herr Polizeisergeant?«, fragte eine der Frauen in die Dunkelheit hinein.
»Natürlich bin ich noch da«, knurrte Grottkamp. Er dachte an die Fotografie in seiner Büfettschublade und atmete schwer. Es war verlockend, sich von den beiden koketten Weibern das zu nehmen, was er wollte. Doch dann tauchte Sybilla vor ihm auf, lächelnd und errötend, und er wusste, dass das, was die beiden Frauenzimmer ihm anzubieten hatten, nicht das war, wonach er sich sehnte.
»Ihr seid Huren! Das weiß ich!«, sagte er viel zu laut.
Die beiden Frauen starrten ängstlich in die Dunkelheit, die den Polizeidiener umgab.
»Vielleicht lasse ich euch trotzdem laufen«, fuhr Grottkamp fort. »Ich will wissen, wo ihr die Männer kennenlernt, von deren Sündenlohn ihr lebt, und wohin ihr mit ihnen geht.«
»In der Schnapsschänke oder beim Klumpenwirt finden sich immer Kerle, die ein paar Groschen übrig haben«, sagte eine der beiden Frauen eifrig.
Die Aussicht, nicht zum königlichen Kreisgericht nach Duisburg gebracht zu werden, machte auch die andere gesprächig. »Wenn jemand eine eigene Kammer hat, dann gehen wir mit zu ihm«, erklärte sie. »Sonst muss er einen Groschen drauflegen und ein Logiszimmer im Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ mieten.«
»Das ist ja ausgesprochen günstig«, murmelte Grottkamp.
»Ein Groschen für eine halbe Stunde«, sagte die Frau.
»Wenn’s länger dauert, nimmt der Küppken von unseren Freiern genauso viel wie von seinen Logiergästen für eine Übernachtung. Der Halsabschneider«, fügte die andere hinzu.
»Red nicht schlecht über den Klumpenwirt! Er war immer gut zu uns«, zischte die Hure, die in der linken Arrestzelle saß, gegen die Holzwand, die sie von ihrer Gefährtin trennte.
Die lachte höhnisch. »Dieser Hubertus Küppken ist zu niemandem gut, außer zu sich selbst«, schimpfte sie.
»Wir müssen nie bei ihm bezahlen, ganz gleich wie viel wir trinken«, hielt das Weibsbild in der linken Zelle dagegen.
»Er rechnet es den Männern an, die uns umwerben«, sagte die andere böse. »Und wenn er niemanden findet, dem er’s anschreiben kann, dann betrachtet er es eben als eine lohnende geschäftliche Ausgabe. Er weiß doch genau, dass viele Kerle nur unseretwegen in sein Gasthaus kommen.«
Die Frau empfand offenbar eine tiefe Abneigung gegen den Klumpenwirt. Kopfschüttelnd saß sie auf ihrer Pritsche. Als sie nach einer Weile weiterredete, klang ihre Stimme wütend. »Außerdem hat Küppken uns immer wieder mit in seine Kammer genommen, ohne dafür zu bezahlen. Benutzt hat er uns.«
»Das ist ja nun schon eine Weile her«, stellte die andere mit einer wegwerfenden Handbewegung fest. »Seitdem die Schankmagd bei ihm aufgetaucht ist, sind wir doch nur noch Luft für ihn.«
Das Weibsbild in der rechten Arrestzelle lachte voller Häme. »Ja, da scheint der Herr Wirt wirklich eine willige Hure gefunden zu haben, und eine kostenlose noch dazu.«
Grottkamp traute seinen Ohren nicht. »Küppken hat was mit Margarete Sander?«, fragte er ungläubig aus der Dunkelheit heraus.
»Da staunen Sie, was?« Die Frau, die links vor ihm auf der Pritsche saß, verzog das Gesicht zu einem hässlichen Grinsen. »So ein junges Ding und so ein feister Kerl wie der Küppken. Aber sie hat wohl geglaubt, er werde sie zur Klumpenwirtin machen.«
Das andere Weibsbild fügte höhnisch hinzu: »Dabei hat Küppken sie auch nur ausgenutzt. Sie hätten ihn mal hören sollen, als die Schankmagd im Sommer plötzlich verschwunden war. Wie ein Rohrspatz geschimpft hat er. Aber nicht etwa, weil sein Liebchen ihn verlassen hatte. Nein! Seine einzige Sorge war, dass jetzt weniger Gäste kommen würden. Er wusste genau, dass die Kerle es mochten, von der Grete Sander bedient zu werden und ihr dabei in die Bluse zu gucken
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