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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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den Pyrenäen. Und wo ist die Teekanne? Ich sehe nur Kaffee. Schau dir diesen Käse an, das reinste Gummi.»
    Leo nickte den beiden Frauen einen Gruß zu, lud Brot, eine Scheibe Schinken, Marmelade und Butter auf ihren Teller und setzte sich an den langen, der deutschen Reisegruppe vorbehaltenen Tisch. Es war viel zu früh für Smalltalk, besonders über die Unterschiede deutscher und spanischer Vorlieben. Sie hatte wunderbar geschlafen und war vor dem Frühstück zu dem Flüsschen hinuntergegangen, das sich nur wenige Schritte hinter dem Hotel durch die Wiesen des Hochtals schlängelte. Der Morgen war frisch, der Himmel klar, Vögel zwitscherten, selbst die Berge sahen einladend und gar nicht anstrengend aus.
    Burguete, inmitten der westlichen Pyrenäen kurz hinter der spanisch-französischen Grenze und ihr Standort für die ersten beiden Nächte, war ein kleines blitzsauberes Dorf von kaum dreihundert Einwohnern. Es bestand aus einer Reihe städtisch wirkender Häuser links und rechts der Straße, von denen drei Hotels waren. Burguete war fast so alt wie der Jakobsweg, und der wiederum war seit jeher ein gutes Geschäft und sorgte für Ordnung. Selbst die Kühe, die sie neugierig von der anderen Seite des Wasserlaufs gemustert hatten, erschienen frisch geduscht.
    Leo hatte sich auf die Brücke gesetzt, kaum mehr als ein Steg mit schmalem Geländer, die Beine baumeln lassen und den akrobatischen Flugkapriolen der Mauersegler zugesehen. Hamburg war weit weg. Sehr weit.
    Sie war nicht die Einzige, die so früh auf Entdeckungstour gegangen war. Als sie über den hinteren Hof des Hotels zurückkehrte, entdeckte sie Nina, die mit Hedda Meyfurth, der Frau mit dem punkig schwarzen Haar, von einem Spaziergang durch das Dorf zurückkam. Die beiden schwiegen und sahen nicht aus, als hätten sie einander gut unterhalten. Ninas Schweigen wunderte Leo nicht, sie hatte auch am vergangenen Abend beim ersten gemeinsamen Essen bis auf einige leise Worte zu ihrem Freund Benedikt geschwiegen. Hedda hingegen, sie hatte Leo gegenübergesessen, hatte diese muntere Redefreudigkeit gezeigt, hinter der sich oft das Unbehagen des Fremdseins verbirgt.
    Obwohl bereits ein gemeinsamer Tag hinter ihnen lag, hatte Leo die meisten der anderen Namen vergessen. Eines der beiden Paare hieß Müller, das war leicht zu merken. Und die beiden am Buffet? Die mit den grauen Löckchen und der Abneigung gegen weißes Brot? Selma Wendel. Oder Enkenbach? Wer konnte sich schon so schnell ein gutes Dutzend neue Namen und die dazu passenden Gesichter merken?
    Den Frühstücksraum hatte sie als Erste betreten, Nina und Hedda waren offenbar in ihre Zimmer zurückgekehrt. Nach und nach trafen auch die anderen ein, und der Geräuschpegel stieg. Geschirr klapperte, es wurde nach mehr Kaffee gerufen, nach Honig, jemand lachte, Stühle scharrten über die alten blitzblanken Dielen schließlich sagte eine angenehme Stimme: «Darf ich wieder Ihr Nachbar sein?», und Benedikt setzte sich neben sie. Der Tag hatte endgültig begonnen.
    «Guten Morgen», sagte Leo. «Wo ist Ihre Freundin?»
    «Keine Ahnung.» Benedikt türmte Schinken, Käse und Tomatenviertel auf eine bleiche Toastscheibe und betrachtete zufrieden sein Werk. «Nina ist schon ganz früh aufgestanden, mit dem ersten Hahnenschrei sozusagen. Spazieren gehen, hat sie gesagt, ich hab lieber noch ‘ne Runde geschlafen. Unsere erste Etappe wird gleich die anstrengendste. Vierundzwanzig Kilometer lang und tausend Meter Steigung. Da kann man vorher gar nicht lange genug schlafen.»
    «Tausendsiebenundfünfzig», korrigierte Enno Lohwald aus Aurich (doch noch ein Name, der Leo einfiel, sogar samt Heimatort), der sich neben Benedikt gesetzt hatte, mit erhobener Gabel. «Siebenundfünfzig Meter mehr oder weniger, Sie können’s mir glauben, sind in dieser Region eine Menge. Da oben ist die Luft schon dünn. Sie essen besser nicht zu viel. Müssen Sie alles mitschleppen.»
    Er lachte scheppernd und strich mit Behagen über seinen Bauch unter einer mit zahlreichen Taschen bestückten Khaki-Weste. Bei dem folgenden Austausch über Wanderungen in den Bergen punktete Enno mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung, die sich allerdings auf die Alpen und die deutschen Mittelgebirge in West und neuerdings auch Ost beschränkte. Benedikt machte Eindruck mit einer Rucksacktour durch die Allegheny Mountains und einem Abstieg in den Grand Canyon. Während das eine gegen das andere abgewogen wurde, trank Leo ihren Kaffee und musterte

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