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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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allem.
    »Was hast du nach dem Mittagessen gemacht? Wo warst du?«
    »Ich war hier.«
    Er legte sich auf seine Bettseite und konnte kein Auge zumachen. Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren.
    Um vier Uhr tat er das, was ihm Atanasiu aufgetragen hatte. Venera kam ihm schwer vor, sehr schwer, es war nicht nur das Gewicht ihres Körpers, es war das, was er mit ihr anstellte. Ein paarmal rutschte er auf dem Deck aus. Als er den Körper über Bord warf, umspülte ihn die Finsternis. Einige Wassertropfen trafen seine Brust. Venera wurde vom Strom erfasst, wirbelte zweimal um die eigene Achse und verschwand.

11. NIBELUNGENGAU
    Fünfundfünfzig Kilometer nach Linz, bei der Stadt Grein, folgte ein österreichischer Flussabschnitt mit dem Namen »Strudel & Wirbel«, auf dem sich schon seit Jahrhunderten Tragödien zu ereignen pflegten. Im Jahre 926 ertrank dort Bischof Drakulf. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurden auf Geheiß von Maria-Theresia die gefährlichsten Stellen gesprengt.
    Martin legte das Programm des Tages so fest, dass das Schiff gegen halb zehn in die Nähe des barocken Klosters Melk kam. Er rief die Passagiere zusammen und machte sie auf eine der schönsten Ausblicke der gesamten Strecke aufmerksam.
    Das Schloss Artstetten lag bereits hinter ihnen, wo der Nachfolger des Habsburgerthrons, Erzherzog Franz Ferdinand, begraben liegt, welcher 1914 dem Attentat in Sarajevo zum Opfer fiel. Auf beiden Seiten zogen sich Wälder hin. Die Fische sprangen über die Wasseroberfläche. Die Sonne erhitzte den Fluss, und heiße Luft stieg auf, sie zeichnete Wolkenkreise um die Hügel. In der Nähe schwamm ein Schiff voller fröhlicher Touristen. Man hörte den Klang eines Waldhorns und ein lautes Jodeln. Der Kapitän bremste die Maschine und steuerte jene Stelle an, von der aus man die beste Sicht hatte. Ein Teil der Passagiere drückte sich an die Schiffsfenster, die anderen kamen an Deck und fotografierten oder filmten wie wild.
    »976 wurde Leopold I. aus Bayern Markgraf, und er kürte Melk zu seiner Burg. Seine Nachkommen schenkten das Stift dann den Benediktinern. Diese wirken dort schon seit mehr als neunhundert Jahren. Zweiundzwanzig Mönche arbeiten auch heute noch dort. Die lange Fassade verbirgt viele Schätze: den Marmorsaal, die Barockkirche, eine der größten historischen Bibliotheken, fünfhundert Zimmerund einen wunderschönen Park. Zu den wertvollsten Schätzen gehören zwei Kruzifixe, verziert mit Diamanten und einem Splitter aus Jesus Christus’ Kreuz. Bete und arbeite. Das ist der Grundsatz der Benediktiner, und mir scheint es fast, als hätte sich diesen auch die ADC zu eigen gemacht«, erklärte Martin.
    »Warum halten wir da nicht an, um uns das anzuschauen? Wofür habe ich gezahlt? Hä?«, schrie Peggy.
    Die Frage war vorprogrammiert. Ein jedes Mal. Die Firma legte ihm eine Antwort in den Mund, an der ganz bestimmt einige Testgruppen wochenlang gearbeitet hatten. Es zahlte sich allerdings aus.
    »Wie Sie sehen, liegt das Stift Melk auf einem steilen Hügel. Man kann nur zu Fuß hinaufgehen. Mit dem Bus kommt man höchstens zu einem weit entfernt liegenden Parkplatz. Im Salon werde ich Ihnen einen exzellenten Film zeigen, in dem Sie das Stift noch viel besser werden kennenlernen können, als wenn Sie tatsächlich vor Ort wären. Zudem wissen alle Barockkenner, dass der Bau vor allem von der Donau aus seine Schönheit entfaltet, er wurde extra so entworfen, genau für die Ansicht, wie wir sie jetzt sehen. Und außerdem stören wir so die Mönche nicht bei ihren wichtigen Arbeiten …«
    Er verkündete hier zum Himmel schreiende Lügen, doch das war ihm längst egal. Erfahrungen hatten gezeigt, dass nur das letzte Argument tatsächlich Wirkung zeigte. Er wusste, dass die meisten Amerikaner religiös waren.
    »Das stimmt!«, beruhigte sich Peggy.
    »In den Kajüten können Sie sich auch den Film
Der Name der Rose
mit Sean Connery in der Hauptrolle ansehen. Jetzt lese ich Ihnen mal die erste Seite aus dem gleichnamigen Buch vor. Der Mönch schreibt seine Lebensgeschichte in diesem Kloster nieder.«
    Er las einen Abschnitt aus einer englischen Ausgabe des Romans von Umberto Eco vor.
    Der Kapitän erhöhte die Geschwindigkeit wieder. In den folgenden zwei Stunden setzte Martin, lediglich von ein paar Pausen unterbrochen, seinen Kommentar fort.
    Es gefiel ihm, dass er viel zu tun hatte. Seine Gedanken drehten sich so zumindest nicht um die Tote. Niemand vermisste Venera. Die Putzfrauen schrubbten unterdessen

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