Tod auf der Donau
Amerikaner zurück.
Sie berichteten Martin begeistert von der oberösterreichischen Metropole. Alles war für sie »awesome«, großartig, und Martins Aufgabe bestand nun darin, diese Bekundung binnen der nächsten Wochen in ein »excellent« zu transformieren.
Den ganzen Nachmittag über stand er am Firmenpult.
»Was kann man in Mauthausen besichtigen – ist es dort schön?«, fragte Jonathan.
»Es ist ein ehemaliges Konzentrationslager in der Nähe von Linz. Etwa 300.000 Menschen sind dort umgekommen.«
»Tatsächlich? Unter den Kommunisten?«
»Nein, unter den Nationalsozialisten.«
»Stalin war so ein Schweinehund, das habe ich immer schon gesagt.«
Martin nickte zustimmend und widmete sich schon dem nächsten Interessenten. Um vier Uhr ging er in seine Kabine.
Mona lag in seinem Bett. Er fasste sie an der Hand und bat sie, ihm etwas von sich zu erzählen. Sie gab sich erneut ausweichend. Er wollte sie küssen, wurde allerdings von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Das geschah selten. Die Kollegen ließen ihn sonst in Ruhe. Wenn er dringend gebraucht wurde, riefen sie in der Kajüte oder am Handy an.
»Martin, mach auf!«
Er vernahm die Stimme des Ersten Offiziers. Der vierzigjährige schlanke Ungar stammte aus dem slowakischen Dorf Salka, am rechten Ufer der Ipel’ gelegen. Er beherrschte vier Sprachen. Er strotzte nur so vor Energie und war absolut verlässlich. Als Junggeselle hatte er keine Familiensorgen. Mit dem Offiziersgehalt kam er bequem aus, kleidete sich allerdings etwas nachlässig. Sein Dienst begann täglich um halb sieben in der Früh, er besuchte Lieferanten und kontrollierte die Waren- und Diesellieferungen, war allerdings auch für das Management an Bord verantwortlich.
Martin sprang aus dem Bett und machte die Tür einen Spaltbreit auf.
»Was ist los? Komm doch später. Ich habe Besuch!«
»Ich hab alles gesehen«, stieß der Ungar Tamás hervor, bleich wie eine Wand. »Alles!«
»Was ist passiert?«
»Lass mich hinein, bitte!«
Tamás’ forsche Stimme klang plötzlich flehentlich. Er hatte Mühe, seinen groß gewachsenen Körper aufrecht zu halten. Er arbeitete schon seit 20 Jahren auf Schiffen und trug oft genug eine große Verantwortung. Jetzt war sein Gesicht vor Schrecken verzerrt.
»Was ist los?«, fragte Martin.
Tamás wandte seinen Blick ab und strich sich das verschwitzte Haar aus der Stirn. Er machte einen Schritt in die Kajüte.
»Es ist sehr schlimm … Tot …«
»Wer? Arthur Breisky? Ich habe es doch geahnt … Ich wusste es gleich, als ich ihn zum ersten Mal am Flughafen in München sah!«
Innerlich ging er schon mal durch, was man bei einem Todesfall alles tun musste. Zeitraubender Papierkram erwartete ihn. Wenn ein Reisender noch oder schon am Flughafen starb, in München oder Bukarest, musste ihn die Fluggesellschaft übernehmen, das war natürlich die exzellentere Lösung. Doch ansonsten war in Europa die ADC für den Körper verantwortlich, also Martin Roy.
»Nein. Herrn Breisky geht es gut. Den habe ich gerade an der Bar gesehen, samt seiner Sauerstoffmaske.«
»Aber wer dann? Ich verstehe nicht …«
»Es war offenbar ein Verbrechen.«
»Ein Diebstahl?«
Einmal tauchte ein Hotelmanager mit dem Trinkgeld der gesamten Besatzung unter. Sechstausend Dollar. Ein anderes Mal räumten zwei Köche in Passau den Bordtresor aus. Sie wurden nie gefasst und setzten sich angeblich nach Südamerika ab.
»Schlimmer. Es ist eine Frau aus der Besatzung – Venera! Besser, du siehst es dir mit eigenen Augen an.«
»Was? Venera? Die hübsche Rumänin? Das ist nicht möglich! Noch gestern …«, schaltete sich Mona ein.
»Ihr zwei kennt euch noch nicht«, sagte Martin beiläufig. »Mona, das ist Tamás Király. Tamás, meine Freundin Mona.«
»Was ist passiert!«, fragte Mona.
»Man hat sie, glaube ich, ermordet …«
»Wie bitte?«
»Ich komme mit!«, erklärte Mona.
Martin hetzte durch das Unterdeck. Am Ende des Ganges herrschte Gedränge. Die Crew machte ihm den Weg frei, was ihn erstaunte.
»Sie haben den Körper da drinnen gefunden, in der Ecke hinter den Waschmaschinen«, berichtete der Maschinist Dragan.
Den furchtbaren Anblick hätte sich Martin nicht einmal in seinen schrecklichsten Phantasien ausmalen können. Die nackte, verstümmelte Frau sah wie ein Opfer und zugleich auch wie eine stumme Zeugin der Bluttat aus. Jemand hatte sie fürchterlich zugerichtet. Er hatte sich vor allem am Bauch und im Gesicht ausgetobt. Martin musste ein
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