Tod auf der Donau
Mund, wie auch aus allen Poren seiner ungesund wirkenden, gelblichen Haut.
»Schmeckt Ihnen das Essen?«, fragte Martin.
»Das Essen ist ganz gut, doch ich esse nicht viel«, antwortete Clark.
»Sind Sie bisher mit Ihrer exzellenten Reise zufrieden?«
»Ja. Die Donau hat mich wirklich überrascht. Ich bin schon auf dem Mississippi, Amazonas und im Vorjahr auch auf dem Mekong gefahren, doch diese Schiffsreise ist bisher die schönste«, antwortete er und lachte breit und schwammig.
»Ich bin froh, dass es Ihnen hier gefällt.«
»Könnten Sie mir bitte helfen aufzustehen? Es ist mir sehr peinlich, doch ich muss auf die Toilette und will nicht schon wieder den Zweiten Offizier rufen. Ich habe das Gefühl, dass ich ihm auf die Nerven gehe.«
»Sie gehen ihm ganz bestimmt nicht auf die Nerven, es ist schließlich seine Arbeit. Er hilft Ihnen sehr gern, genauso wie ich. Kommen Sie!«
Er kippte Clark im Bett nach vorn, wobei er selbst heftig schnaufen musste. Der Versuch aufzustehen, wurde von einem Ächzen und Seufzen begleitet. Er fasste Clark an den Schultern und half ihm, die paar Schritte zur Toilette zurückzulegen.
»Sie schaffen das, keine Angst, ich lasse Sie schon nicht los.«
»Warten Sie … Ich kann nicht mehr!«, stammelte Clark.
Er hatte tatsächlich Angst, den Mann nicht mehr halten zu können. Clark musste einige Male stehen bleiben, um sich auszuruhen, wobei er sich mit den Fäusten an der Wand abstützte. Die Wegstrecke war eine Tortur für ihn.
Wieder zurück im Bett krächzte der Greis vor Erschöpfung. Kurze Zeit später hob er den Kopf aus den Kissen. Er stützte sich ab, streckte die Hand aus und berührte Martins Ellbogen.
»Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll … Es ist mir ein wenig unangenehm.«
»Ich werde mich bemühen, all Ihre Wünsche zu erfüllen.«
»Könntest du mir bitte eine Frau bestellen? Hierher? Wäre es möglich? Ich habe Geld, ich bezahle alles, du kriegst auch ordentlich Trinkgeld. Finde ein Mädchen für mich, jung und geschickt.«
Martin hörte diesen Wunsch nicht zum ersten Mal. Viele Passagiere besuchten in Mittel- und Osteuropa Prostituierte.
»Ich … natürlich … ich kann es schon probieren … ich werde anrufen und … gebe Ihnen Bescheid«, stotterte er.
»Ich wäre dir sehr dankbar!«
Collis räkelte sich. Danach lag er wieder regungslos, die Augen geschlossen, möglicherweise schlief er gerade ein. Martin wusste plötzlich nicht, was er tun sollte, er schaute auf seine Uhr, die Zeit verging, der Sekundenzeiger bewegte sich, die Maschine vibrierte leise. Beim Anblick des alten Mannes überkam ihn eine böse Vorahnung. Aus Clark sprudelte es erneut hervor:
»Treibst du mir eine Frau auf? Versprichst du mir das?«
Gierig wartete Collis auf Antwort.
»Ja«, sagte Martin und verabschiedete sich.
Er ging auf den Gang und brauchte eine Weile, um sich wieder zu fassen. Später erzählte er Mona davon.
»Was denken sich diese Leute überhaupt? Dass ich für sie Zuhälter spiele? Das gibt es doch gar nicht!«
12. DER AUSSERIRDISCHE AUS DEM WESTEN
Die Donau begrenzte auf der rechten Seite den Wienerwald (in Richtung Klosterneuburg). Die
America
trieb am Kahlenberg vorbei. In Nussdorf teilte sich beim Flusskilometer 1934 der Donaukanal vom Hauptfluss ab, der das Stadtzentrum quert.
Martin Roy wachte schweißgebadet auf. Die
America
passierte gerade die ersten Wahrzeichen Wiens, den »Millennium Tower« am rechten Ufer, die UNO-City am linken. Der Verkehr am Ufer wurde intensiver. Das Schiff hielt im Wiener Personenhafen an, nahe der Reichsbrücke. Gigantische Eisensäulen verbanden sich mit riesigen Kabeln. Immer wenn Martin diese Brücke sah, konnte er es nicht fassen, dass deren Vorläufer 1976 in die Donau gestürzt war, einen Autofahrer mit sich gerissen und einige Schiffe beschädigt hatte.
Er war allein im Bett. Mona hatte wahrscheinlich Morgendienst. Er wusch sich schnell und zog sich an. Der Wiener Hafen war voller Schiffe, aufgrund von Platzmangel mussten sie sogar aneinandergekettet in einer Reihe ankern, manchmal drei in einer Reihe. Die Passagiere verglichen, welches Schiff wohl am luxuriösesten sei. Die
America
lag vorn.
Martin begrüßte die österreichischen Reiseführerinnen. Sie benahmen sich so, als ob sie in ihrem echten Leben Baronessen oder Eigentümerinnen großer Konzerne wären und die Touristen nur aus Passion oder Langeweile begleiteten. Sie machten ihm natürlich Probleme, lehnten die Headsets ab und versuchten stur
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