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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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Würgen unterdrücken.
    »Verstehst du das? Wer kann sie umgebracht haben?«, fragte Tamás.
    »Was weiß ich? Ich bin kein Polizist«, gab Martin zurück.
    »Aber du hast studiert …«
    »Ja, Italienisch und Literatur …«
    Venera hatte auf jeden Fall viel Blut verloren. Tote haben keine Privatsphäre, man kann nur auf etwas Ehrfurcht hoffen. Es kam ihm ungehörig vor, ein nacktes Mädchen so anzustarren.
    »Ich habe so etwas noch nie erlebt«, brachte Martin schließlich hervor und berührte Veneras Hand, die noch etwas Wärme ausstrahlte. »Wie viele Einstiche mögen das sein?«
    Tamás beugte sich vor und leuchtete den Körper mit der Taschenlampe aus.
    »Anscheinend mindestens sieben, doch schon der erste Stich dürfte tödlich gewesen sein.«
    »Wir müssen die Polizei rufen!«, rief Martin.
    »Nein!«, sagte Atanasiu barsch. Plötzlich stand er unversehens hinter Martin. »Wir müssen niemanden anrufen. Ihr würde das auch nicht mehr helfen. Und uns würde es ruinieren.«
    »Wer von euch hat das getan?«, brüllte Martin und schaute in die Runde.
    »Es kann auch jemand von den Passagieren gewesen sein«, gab Loredana zurück.
    Es kam keine Reaktion. Martin blickte forschend in ihre Gesichter. Die Männer und Frauen waren im Speisesaal immer gut gelaunt,doch jetzt schwiegen sie. Einer von ihnen wusste über den Mord mehr als alle anderen. Oder eine.
    »Beruhige dich«, herrschte ihn Atanasiu an. »Wer bist du, um hier Fragen zu stellen? Du hättest es genauso gut wie jeder andere tun können. Dieses Schiff steht unter meinem Kommando.«
    »Entschuldige, doch das geht über deine Befugnisse hinaus. Nur die Polizei kann hier …«
    »Das willst gerade du mir erklären, wo du doch einen schwarzen Passagier bei dir hast? Ich brauche nur das Telefon in die Hand zu nehmen, und drei Minuten später bist du auf dem Heimweg. Willst du das?«
    Atanasiu Prunea stellte sich vor die Gruppe.
    »Die Firma wünscht keine Ermittlungen. Das wissen wir alle ganz genau. Das Schiff müsste ein paar Tage hierbleiben, die Reise wäre unterbrochen, eventuell würden wir mit Bussen weiterreisen, doch das wäre immens teuer, die Hotels, das Essen in den Restaurants und so weiter. Und ich rede jetzt gar nicht mal von den zweifellos katastrophalen Bewertungen. Stell dir vor, du hast für ein Luxusschiff bezahlt und wirst mit ungarischen Bussen herumgekarrt. Venera war ein liebes und gutes Mädchen. Doch die Polizei wird sie nicht mehr zum Leben erwecken. Wir erledigen das selbst. Wir sind keine Frischlinge. Die
America
muss weiterfahren.«
    Martin war fassungslos: »Ich bin nicht einverstanden, aber du bist der Kapitän.«
    »Und du bist ein kleiner beschissener Tourmanager, einer von Hunderten, halt die Klappe und unterbrich mich nicht, ich war noch nicht fertig. Wenn ich herausfinde, wer es war, kann der was erleben. Aber der Körper muss jetzt weg. Venera hatte keinen Vertrag, sie konnte heute Nacht weiß Gott wo gewesen sein. Die Familie bekommt sowieso keine Entschädigung, und die Passagiere dürfen auf gar keinen Fall etwas erfahren. Chicago hat schon genug Sorgen. Wir wurden in dieser Saison angewiesen, Hoch- und Tiefwasser zu ignorieren – auch das ist am Rande des Gesetzes, wir müssen einfachweiterfahren und unsere Arbeit tun. Die Reise geht weiter, als wäre nichts geschehen. Wer damit nicht einverstanden ist, kann sofort aussteigen. Habt ihr das kapiert?«
    Seine Stimme klang bedrohlich. Vor einigen Tagen wäre es ihm niemals in den Sinn gekommen, in einem solchen Ton mit Martin zu reden. Er genoss augenscheinlich die Angst, die er verbreitete.
    »Ja, gut gesagt! Genau so ist es!«, riefen alle durcheinander.
    Martin konnte es nicht fassen. Allerdings durfte er keine Hierarchiestufe überspringen, geschweige denn mehrere. Er ging einige Schritte zurück, um seine Gedanken zu ordnen. Die Rumäninnen beteten. Er hätte nie gedacht, dass sie religiös erzogen worden waren, so wie sie sich sonst verhielten.
    »Vielleicht hat sie jemand von hinten angegriffen und niedergeschlagen. Und dann mit dem Messer zugestochen. Wahrscheinlich mit einem großen Küchenmesser, die Wunden sind breit und tief. Wenn wir die Waffe …«
    »Wir haben hier alles durchsucht, aber nichts gefunden«, antwortete Dragan.
    »Hat jemand etwas gehört? Wer hat sie zuletzt gesehen?«
    Keiner antwortete. Martin schob Venera ein Stück weg, um sie von der anderen Seite untersuchen zu können. Die Schultern der Leiche sackten zusammen, diese Bewegung wirkte

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