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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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mit einem Desinfektionsmittel den Boden in der Waschküche.
    Die Wachau gehörte zu seinen Lieblingsrouten. Obwohl er viele Orte in diesem 40 Kilometer großen Nibelungengau bis ins Detail kannte, entdeckte er immer wieder Neues. Er erzählte von den Städtchen Schwallenbach und Spitz, von Weinheurigen und Bürgerhäusern mit Fresken und natürlich vom Tausendeimerberg. Auch über das kleine Dorf Maria Laach hinter dem Berg Jauerling, wo die Madonna in der dortigen Wallfahrtskirche an der rechten Hand tatsächlich sechs Finger besitzt, sprach er. Über die elf Zentimeter große und gesichtslose Venus von Willendorf, die 30.000 Jahre im fruchtbaren Boden ruhte, bis sie am 7. August 1908 der österreichische Archäologe Josef Szobathy bei Bahnarbeiten auffand. Über die gruselige Geschichte der Burgruine Aggstein, über die Kirche im Dorf St. Michael, mit den seltsamen Hasenstatuetten am Dach. Über die mittelalterliche Stadt Dürnstein, wo der englische König Richard Löwenherz gefangen gehalten worden war, bis ihn der Troubadour Jean Blondel fand, weil er unter der Burg ein Liedchen anstimmte, das nur sie beide kannten. Über die Piraten auf der Donau und allerlei Raubritter. Nach der Nibelungensage zog im 5. Jahrhundert Kriemhild die Donau abwärts, um Attila zu heiraten, der den Tod von Siegfried, dem Drachentöter, rächen sollte. Auch Mona hörte aufmerksam zu, als sie am Oberdeck die Tische für Kostproben von Speisen und Wein aus der Wachau aufdeckte.
    Suang öffnete feierlich die erste Flasche mit schmalem Hals, und die Verkostung des Grünen Veltliners aus Rohrendorf und der lokalen Rebsorten Grau- und Weißburgunder konnte beginnen. Die Gäste stürzten in den vorderen Teil des Schiffes. Man servierte kleine Knödel, gewälzt in gerösteten Semmelbröseln, Zucker und Butter, und dickflüssige Marillensäfte. Das größte Interesse riefen der lokale Weißwein und der Marillenschnaps hervor. Mona schnitt WachauerLaberln zu den Getränken auf, gebacken nach einem alten Rezept der Familie Schmidl aus Dürnstein. Im Salon improvisierte Gábor Kelemen österreichische Volkslieder, immer wieder variierte er das Lied »Mariandl« und dazu noch ein paar uralte Schinken aus verschiedenen Heimatfilmen. Seine Musik war auch auf dem Sonnendeck aus den Lautsprechern zu hören.
    Das Tal weitete sich gen Osten, gegen den Strom der Zeit. Das Schiff zog an kleinen Bauernhöfen und Weingärten zwischen bewaldeten Hügeln vorbei. In den Weingärten arbeiteten Familien. Auf der Kapitänsbrücke glühte die Sonne, doch drinnen war alles klimatisiert. Martin sah zwei Hilfsköche an, die flüsternd miteinander sprachen. Er meinte, in ihren Blicken irgendetwas Seltsames erkannt zu haben, als ob sie geheime Zeichen gewechselt hätten. Sie wirkten wie zwei Verschwörer. Oder legte er zufällige Bewegungen einfach nur falsch aus?
    Das Wachauer Tal endete. In der Ferne erkannte man noch die Umrisse des weißen Benediktinerstifts Göttweig, mit seinen dunkeln Zwiebeltürmen, einem Kennzeichen des österreichischen Barock.
    Bei Krems und Stein wehte ein heißer Wind. Bei Flusskilometer 2002 öffnete sich nach einer Kurve die Sicht auf eine weite blasse Ebene. Die Donau floss wieder in Richtung Osten, durch das Tullner Feld, das bis nach Korneuburg reicht. Das Schiff überwand die Schleusenkammer Altenwörth, und der Fluss nahm weitere Nebenarme auf – von rechts die Traisen und von links den Kamp.
    Martin fiel ein, dass er Clark Collis aufsuchen musste. Er stieg die Treppe hinunter, in der Gästeliste fand er seine Kajütennummer, und danach klopfte er schon an die Tür.
    »Herein!«
    »Guten Tag, Herr Collis! Entschuldigen Sie bitte die Störung, ich wollte nur fragen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist?«
    Obwohl Martin ihn offensichtlich störte, war dieser überaus freundlich.
    »Ja, danke«, antwortete Clark. »Deine Stimme kenne ich mittlerweileschon ganz gut. Ich höre mir die Kommentare in der Kajüte an und schaue dabei aus dem Fenster. Schade, dass ich nur eine Seite sehen kann, den Rest muss ich mir eben vorstellen. Bisher hatte ich Glück, ich habe durchaus den Eindruck, dass man am linken Ufer mehr sehen kann als am rechten.«
    »Das ist mir noch nie aufgefallen. Wahrscheinlich stimmt das sogar.«
    Clark Collis kreuzte die Hände über seinem Riesenbauch und brach kleine Stücke von irgendeiner Süßspeise ab, die vor ihm lag. Auf der Stirn perlte der Schweiß, und seine Augen waren kaum noch erkennbar. Er stank aus dem

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