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Tod auf der Fähre (German Edition)

Tod auf der Fähre (German Edition)

Titel: Tod auf der Fähre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gold
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mehr ging, wenn er wie ein Hundertjähriger zitterte, frass er eine Schachtel Beruhigungstabletten, damit seine zittrigen Finger ruhig wurden.»
    «Jetzt übertreiben Sie aber, lieber Mann», provozierte Ferrari.
    «Ich übertreibe?», schrie Hertz, «du hättest den Brehm letzte Woche sehen sollen. Sein Atelier war offen, es war um sechs, ich bin gerade nach Hause gegangen.»
    «Sechs Uhr abends?»
    «He, Mann, auf welchem Baum lebst du? Sechs Uhr morgens. Wenn man von der Muse geküsst wird, dann muss man dies ausnutzen. Ich habe um zehn gespürt, dass ich etwas Einmaliges vollbringen werde. Ich habe die ganze Nacht durchgemacht. Gemalt, das Bild aus der Distanz angeschaut … korrigiert … übermalt … wieder korrigiert, bis es gesessen hat. Willst du es sehen?»
    Ferrari war es ihm schuldig. Er starrte auf eine sechs Meter grosse schwarz bemalte Leinwand mit einem weissen Punkt in der oberen Hälfte der Leinwand. Er vermutete, das Meisterwerk vor sich zu haben.
    «Das ist es! Siehst du, wie es dreht? Siehst du den Kosmos in diesem Bild?»
    Ferrari sah eine schwarze Leinwand mit einem weissen Nichts.
    «Das ist es, mein Meisterwerk!», stammelte Hertz ergeben.
    «Es ist … so etwas habe ich noch nie gesehen», gestand Ferrari.
    Der Künstler strahlte.
    «Das ist ein Wurf. So ein Bild gelingt nur einmal pro Jahr! Was sage ich, nur einmal im Leben!»
    Nachdem der Kommissär das Werk gebührend gewürdigt hatte, brachte er das Gespräch nochmals auf Frank Brehm zurück.
    «Ah ja, ich ging an seinem Atelier vorbei. Er sass wie ein Greis auf einem Stuhl. Zuerst dachte ich, dass er wie ich in der Nacht gemalt habe. Aber der Schlüsselbund steckte noch in der Türe, er schien eben erst gekommen zu sein. Er warf eine halbe Schachtel Tabletten ein und spülte sie mit Weisswein runter. Ich fragte ihn, ob er krank sei. Er verneinte. Es gehe ihm gut. Ich bin vielleicht zwanzig Minuten geblieben. Wir haben zusammen einen Kaffee getrunken. Eigentlich eine Sensation, wenn man bedenkt, dass er sonst niemanden ins Atelier liess. Zuerst musste er die Tasse mit beiden Händen halten. Trotzdem verschüttete er noch die Hälfte des Kaffees. Dann setzte die Wirkung der Tabletten ein. Er beruhigte sich und mit dieser Ruhe kehrte seine Überheblichkeit zurück. Der Mann war schon tot, bevor ihn jemand umgebracht hat.»
    «Sie sagten, dass Kuhn ein guter Maler sei.»
    «Ein Riesentalent. Ein Jahrhunderttalent. Und Frank erkannte das und nutzte es für sich aus.»
    «Was heisst das konkret?»
    «Frank verstand es, Herbie geschickt zu leiten. Wenn er nicht mehr weiter konnte, weil die Wirkung der Tabletten nachliess oder weil er einfach nichts mehr drauf hatte, dann befahl er Herbie weiterzumalen. Das war für Herbie das Grösste. Der Meister liess ihn an seine heilige Leinwand. Frank leitete ihn wie ein Dirigent sein Orchester. Und Herbie lief jedesmal zur Hochform auf. Die besten Bilder der letzten Jahre stammen alle samt und sonders aus Herbies Pinsel.»
    «Sind Sie da sicher?»
    «Da schwöre ich jeden Eid drauf. Es lief immer nach dem gleichen Schema ab. Herbie vollendete ein mittelmässiges Bild von Brehm und schuf ein Meisterwerk. Und Frank klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. So etwa nach dem Motto, siehst du, mein Junge, jetzt hast du wieder etwas dazugelernt. Wenn du so weiter machst, dann wirst du noch einmal ein ganz passabler Maler. Dass er den Meister bereits zehn Mal überrundet hatte, wäre ihm nie im Traum eingefallen. Dann ist Brehm nochmals drüber. Die dumme Sau hätte den Herbie besser machen lassen.»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Ganz einfach. Herbie hat Brehms lausigen Bildern mit einigen Strichen Leben eingehaucht. Einfach genial! Der hat was drauf. Das Arschloch Brehm hat es zwar erkannt, aber sein vernebeltes Ego konnte doch nicht zulassen, dass Herbie besser war. Darum hat er jedes Bild nochmals übermalt und versaut!»
    «Kuhn hat wirklich bei Brehms Werken mitgemalt?»
    «Frag ihn doch selbst, wenn du es nicht glaubst.»
    «Dass so etwas überhaupt möglich ist.»
    «Das lebten die alten Meister bereits vor. Michelangelo und da Vinci haben auch Schüler gehabt. Und wer kann heute noch feststellen, ob die Werke von den Meistern oder von den Schülern fertiggestellt wurden? Wobei ich natürlich Frank Brehm nicht mit diesen ganz grossen Vorbildern vergleichen möchte.»
    Eine weitere Frage liess er nicht mehr zu. Hertz stiess den Kommissär aus seinem Allerheiligsten und schloss unsanft die Tür.
    Im Atelier

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