Tod auf der Fähre (German Edition)
von Frank Brehm war es stickig und schmutzig. Überall standen offene Farbkessel herum. Ferrari durchstöberte das Atelier, öffnete den Kühlschrank. Champagner der feinsten Sorte und Weissweine aus dem Waadtland. Auf dem Tisch standen einige schmutzige Gläser und Kaffeetassen und an den Wänden hingen Hunderte von Fanbriefen aus aller Welt. Ferrari las einige, meist von schmachtenden Verehrerinnen, die dem Künstler ihr Herz zu Füssen legten. Doch etwas irritierte den Kommissär. Wieso konnte er nur ein einziges unvollendetes Bild im Atelier finden? Seltsam. Er untersuchte das Schloss, das keine Spuren von Gewalt aufwies. Die Spurensicherung hatte gute Arbeit geleistet. Ferrari verschloss das Atelier und kontrollierte nochmals, ob die Tür wirklich abgeschlossen war. Eine dumme Angewohnheit. In Gedanken strich Ferrari die Frage auf seinem Block durch, die er dem Polizeiarzt bezüglich der Medikamente in Brehms Blut hatte stellen wollen. Hertz hatte sie ihm beantwortet.
11. Kapitel
Der Kommissär entschloss sich am Nachmittag, spontan und unangemeldet Olivia Vischer aufzusuchen. Er würde sich einen Verweis von Borer einhandeln, aber das war ihm egal. Die Mosaikstückchen fügten sich langsam ineinander, nur im Zentrum seines Puzzles klaffte ein grosses Loch. Olivia Vischer könnte, unter der Voraussetzung, dass sie wollte, diese Lücke schliessen. Es war Donnerstag, der dritte Tag seiner Ermittlungen. Alle Personen, mit denen er gesprochen hatte, vermittelten ihm ein ähnliches Bild über Frank Brehm. Sie achteten Brehm als Künstler und verachteten ihn als Menschen. Er hatte viel über den Toten erfahren und eigentlich doch nichts.
An der Heuwaage fand sich der Kommissär plötzlich inmitten einer Demonstration wieder. Er hörte die Sirene der Polizei, die mit einem Einsatzkommando anrollte. Ferrari löste sich aus der Gruppe der Demonstranten, beinahe von einem Transparent getroffen, und zog sich auf die andere Strassenseite zurück. Die Demonstranten hatten sich auf die Tramschienen gesetzt. Der Einsatzleiter der Polizei sprach über ein Megaphon auf die Leute ein und bat sie, die Fahrspur freizugeben. Die vorwiegend jüngeren Menschen antworteten mit einem Pfeifkonzert. Sie demonstrierten für mehr Arbeitsstellen. Ferrari konnte ihren Frust gut verstehen. In einigen Jahren würde Nicole wohl mit der gleichen Situation konfrontiert werden.
Der Einsatzleiter sprach nochmals beschwörend auf die jungen Menschen ein. Als sich nichts rührte, begann die Polizei, die Schienen zu räumen. Die Demonstranten liessen sich widerstandslos wegtragen und rannten, sobald sie abgesetzt wurden, wieder zurück. Hilflos musste der Einsatzleiter zusehen, wie seine Beamten Sysiphusarbeit verrichteten. Inzwischen herrschte Verkehrschaos. Beinahe schon einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde wert, diese lange Schlange grüner und gelber Tramzüge. Der Einsatzleiter hatte Verstärkung in Form eines Wasserwerfers angefordert und rief die Jugendlichen zum letzten Mal auf, die Schienen freizugeben. Das Buhkonzert der Demonstranten wurde durch den Wasserstrahl übertönt. Innert Minuten hatte die Polizei der unbewilligten Demonstration ein Ende gesetzt. Wenn das nur kein böses Nachspiel gibt, dachte Ferrari. Vermutlich war morgen in der Zeitung von der Unverhältnismässigkeit des Einsatzes zu lesen. Man würde den Einsatzleiter zur Verantwortung ziehen und den Polizeikommandanten zum Rücktritt auffordern.
«Polizist ist ein Scheissberuf», brummte Ferrari. Nikki war einmal weinend nach Hause gekommen. Einige Schulfreundinnen wollten nicht mehr mit ihr spielen, weil ihre Mutter einen Polizisten zum Freund hatte. Wenn aber ein Verbrechen geschieht, wenn die eigene Sicherheit in Frage gestellt ist, dann wird die Polizei gern gerufen. Manch ein Polizist riskiert bei einem Einsatz Kopf und Kragen. Aber das interessiert die Öffentlichkeit nicht. Berufsrisiko. Und wenn der Alltag in geregelten Bahnen verläuft, ist der Normalbürger froh, nichts mit der Polizei zu tun zu haben. Das widerspiegelte sich auch in Ferraris Freundeskreis, der vorwiegend aus Polizisten bestand. Allerdings aus wenigen, denn ihm missfielen die politischen Ansichten vieler seiner Kollegen. Nichtsdestotrotz, Ferrari liebte seinen Beruf. Scheissberuf hin oder her. Er würde ihn für nichts auf der Welt tauschen.
12. Kapitel
Ferrari fuhr mit dem Fünfzehner den Hügel zum Bruderholz hinauf. Was für eine herrliche Aussicht. Er liebte diese Stadt. Das Leben
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