Tod auf der Fähre (German Edition)
zur Rede. Frank Brehm beschimpfte ihn aufs Übelste. Er ging sogar soweit, dass er in Abrede stellte, dass er Isabelle Piatti vergewaltigt habe. Sie habe sich ihm aus freien Stücken hingegeben. Herbert Kuhn flehte seinen Freund an, diese Behauptung zurückzunehmen. Es kam zu einem heftigen Streit. Während dieses Streites, in dem der Täter von Frank Brehm bedrängt wurde, ergriff Herbert Kuhn den nächstbesten Gegenstand und schlug auf Frank Brehm ein. Nach dem ersten Schlag fiel der Künstler zu Boden. Herbert Kuhn konnte nur noch den Tod seines Freundes konstatieren. In grosser Panik schleppte er den Toten auf die Klingentalfähre, wo die Leiche am folgenden Morgen vom Fährimann gefunden wurde
.
Der Kommissär ergänzte seinen Bericht mit den notwendigen Formalitäten, las ihn mehrmals durch, verbesserte ihn an einigen Stellen, druckte ihn zweifach aus und unterschrieb ihn mit seiner markanten Unterschrift.
Bereits um halb sieben verliess Ferrari unrasiert das Haus und legte kurze Zeit später den Bericht auf den Tisch des Staatsanwaltes. Kurz nach acht wurde er von Borer ins Büro zitiert.
«Nehmen Sie Platz, Ferrari. Sie sehen aus, als wenn Sie die ganze Nacht durchgezecht hätten.» Der Staatsanwalt war bester Laune, der letzte Streit schien vergessen. Der Kommissär atmete erleichtert auf.
«So ähnlich war es auch.»
«Ich habe Ihren Bericht gelesen. Ich gratuliere Ihnen, eine hervorragende Arbeit.»
«Besten Dank, Herr Staatsanwalt.»
«Wenn Sie einverstanden sind, möchte ich den einen Satz ein wenig ändern.»
«Welchen Satz, Herr Staatsanwalt?»
«Hier, diesen.»
Er las ihn laut vor.
«Es wäre mir lieber, wenn Sie das Wort ‹bedrängt› durch ‹angegriffen› ersetzen könnten. Es würde dann heissen: ‹Während dieses Streites, in dem der Täter von Frank Brehm angegriffen wurde …› »
«Selbstverständlich, kein Problem. Haben Sie noch weitere Änderungswünsche?»
«Nein, das wäre dann alles.»
«Ich werde die Änderung sofort vornehmen und Ihnen meinen Bericht in einer halben Stunde vorlegen.»
«Vielen Dank. Nochmals mein Kompliment, Ferrari, eine ausgezeichnete Arbeit.»
Der Staatsanwalt schloss die Akte und reichte sie dem Kommissär.
«Wie es aussieht, hat Frank Brehm in alkoholisiertem Zustand mit Herbert Kuhn gesprochen.»
«Die Autopsie ergab eine unglückliche Zusammensetzung von Alkohol und Tabletten, wie in meinem Bericht eingangs erwähnt ist», bestätigte Ferrari.
«Stimmt. Jetzt fällt es mir wieder ein. Man könnte sagen, Herr Brehm wusste nicht, was er tat. Er war unberechenbar, unzurechnungsfähig. Kuhn hat das sicherlich bemerkt. Seine Angst, was verständlich ist, muss sehr gross gewesen sein.»
«Herbert Kuhn ist höchstwahrscheinlich in Panik geraten.»
«Dem kann ich nur zustimmen. Je genauer ich Ihren Bericht studiere, desto mehr komme ich zur Auffassung, dass Kuhn den Angriff seines alkoholisierten, ich gehe sogar weiter, seines verrückten Freundes abwehren musste. Ein guter Verteidiger wird ohne Zweifel auf Notwehr plädieren.»
«Das sehe ich auch so, Herr Staatsanwalt.»
«Ihr Bericht deutet eindeutig darauf hin. Wahrscheinlich wird die Anklage reine Formsache sein. Befindet sich Herr Kuhn in Untersuchungshaft?»
«Er ist zurzeit noch in der Psychiatrischen Universitätsklinik, unter Beobachtung.»
«Dort soll er vorerst bleiben. Ich werde die Akte nochmals genauestens studieren. In einer halben Stunde?»
«Das geht in Ordnung, Herr Staatsanwalt.»
Ferrari blieb an der Türe stehen.
«Wie stehen die Chancen, dass Herbert Kuhn freigesprochen wird?»
«Gut. Es liegt an Ihnen, bei Ihrem Bericht. Ich werde voll dahinter stehen.»
Der Kommissär öffnete die Tür.
«Ferrari!»
«Ja, Herr Staatsanwalt?»
«Glauben Sie, dass Herbert Kuhn je wieder zum Täter werden könnte?»
«Das schliesse ich mit hundertprozentiger Sicherheit aus.»
«Vermerken Sie das bitte am Schluss ihres Berichtes, Ferrari.»
«Mache ich. Danke, Herr Staatsanwalt.»
«Wir tun beide nur unsere Pflicht. Frank Brehm war ein … ein irregeleiteter Mensch. Er hat viel zerstört, sehr viel sogar. Wir sollten ihm nicht die letzte Genugtuung verschaffen, dass er auch noch das Leben zweier junger Menschen über seinen Tod hinaus zerstören kann.»
Der Kommissär drückte die Akte an seine Brust. Ein Lächeln flog über sein Gesicht. Ferrari fühlte sich leicht, so leicht und befreit wie lange nicht mehr.
«Heute ist ein guter Tag, Herr Staatsanwalt. Glauben Sie
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