Tod auf der Fähre (German Edition)
gestalten.»
«Sie haben Angst davor, Ihr Innerstes zu öffnen.»
«So ist es. Aber hat das nicht jeder Mensch?»
Sie dachte lange darüber nach.
«Vielleicht, Francesco, vielleicht haben Sie Recht. Auf jeden Fall hat mir diese Frau sehr geholfen, mir die Augen geöffnet, dass ich nicht vor meinem Problem davonlaufen darf. Ich muss dagegen ankämpfen, ich muss meine Angst überwinden.»
Herbert Kuhn sass wie ein Fremder teilnahmslos auf der Bank. Ferrari versuchte, ihn ins Gespräch einzubinden.
«Was halten Sie vom Übersinnlichen, Herr Kuhn?»
«Ich … ich weiss nicht. Wie war Ihre Frage?»
«Lassen Sie ihn bitte in Ruhe, Francesco. Es ist gut gemeint, aber er ist nicht aufnahmefähig. Gehen wir einige Schritte?»
«Gerne.»
Schweigend spazierten sie durch den Park. Erst als sie vor dem Café standen, nahm Isabelle das Gespräch wieder auf.
«Das Leben ist eigenartig, Francesco. Als ich sah, wie es um Herbert steht, fiel eine Last von mir ab. Meine eigenen Probleme traten in den Hintergrund. Ich liebe Herbert und ich muss jetzt für ihn da sein.»
«Muten Sie sich nicht zu viel zu?»
«Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht. Herbert braucht mich, nur das zählt. Trinken wir einen Kaffee, Francesco?»
«Sehr gerne.»
Auf einmal verflog ihre Heiterkeit.
«Ich muss Sie aber warnen.»
«Warnen? Wovor? Spannen Sie mich nicht auf die Folter.»
«Wir werden im Café erwartet. Kommen Sie, lassen Sie sich überraschen.»
Die Überraschung gelang. Im Café wartete Olivia Vischer und winkte Ferrari an ihren Tisch. Isabelle brachte auf einem Tablett drei Tassen Kaffee.
«Ich habe dir auch noch einen rausgelassen, Olivia.»
«Vielen Dank, Isa.»
Ferrari war noch immer verdutzt. Eine eigenartige Situation, in der er sich da befand.
«Ich weiss nicht, was ich von dieser Begegnung halten soll, Frau Vischer. Woher wussten Sie, dass ich hier bin?»
«Durch Dr. Borer. Wir sind Ihnen eine Erklärung schuldig, Herr Ferrari.»
«Ich glaube, nein, ich weiss, was Sie mir sagen wollen, Frau Vischer. Aber aus welchem Grund ziehen Sie Frau Piatti in die Angelegenheit hinein?»
«Olivia zieht mich nirgends rein, Francesco.»
«Was soll …»
«Hören Sie mir bitte zu, Francesco. Und bitte, bitte unterbrechen Sie mich nicht. Versprochen?»
«Einverstanden, Isabelle.»
«Sie suchen die Person, mit der Frank Brehm ein neues Leben beginnen wollte. Diese Person sitzt vor Ihnen.»
«Sie? Das ist … das … nein, das glaube ich nicht! Frau Vischer, ich weiss nicht, wie Sie es geschafft haben, dass mir Frau Piatti diesen Unsinn auftischt. Aber damit kommen Sie nicht durch. Das schwöre ich Ihnen!»
«Francesco … bitte, es fällt mir sehr … sehr schwer. Ich muss meine ganze Kraft zusammennehmen, um es Ihnen zu erzählen. Machen Sie es mir bitte nicht noch schwerer.»
Isabelle Piatti war dem Zusammenbruch nahe. Olivia Vischer nahm sie in die Arme.
«Soll ich?»
«Nein! Ich muss es selber sagen, Olivia. Seit dem ersten Tag, an dem ich Frank kennen lernte, machte er mir Komplimente. Er beschenkte mich mit Kleinigkeiten, gab mir zu verstehen, dass er mich mochte. Das schmeichelt einer Frau ungemein, Francesco. Nach und nach wurden die kleinen Aufmerksamkeiten zur Gewohnheit. Herbert schien es nicht zu stören und mir gefiel es, wie der umschwärmte Künstler seinerseits mich verwöhnte. Als Herbert in München Franks Installation einrichtete, lud mich Frank zum Essen ein. Er gestand mir seine Liebe. Er verlangte ultimativ, ich solle Herbert verlassen, und versprach, dass er sich von Olivia scheiden lassen würde. Die Situation war vollständig ausser Kontrolle geraten. Ich war schockiert. Ich fühlte mich schuldig. Ich hätte ihn von Anfang an abweisen müssen, hätte klare Verhältnisse schaffen müssen. So aber hatte ich ihn in seinem Glauben bestärkt. Er meinte, ich würde ihm die gleichen Gefühle entgegenbringen. Aber das war nicht so. Ich sagte ihm, dass alles ein Missverständnis sei. Ich würde Herbert über alles lieben und er solle sich nicht in eine ausweglose Sache verrennen. Er war tief getroffen, das sah ich ihm an, aber er akzeptierte meine Entscheidung. In der gleichen Woche, am Donnerstag, rief mich Herbert von München aus an. Er bat mich um einen Gefallen. Ich sollte Frank ausrichten, ihn sofort im Hotel anzurufen. Ich versuchte, Herbert diesen Wunsch auszureden. Da er Frank aber nicht erreicht hatte, und ich hörte seiner Stimme an, dass er kurz vor einem Kollaps stand, liess ich mich überreden.
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