Tod auf der Koppel
Sie das Heu, das mir Jock gestern abend versprochen hat«, war sie richtig zusammengezuckt. Er hatte ihre Reaktion bemerkt und höflich hinzugesetzt: »Ich weiß, es ist nicht gerade der richtige Zeitpunkt, um Geschäfte zu machen; aber in ein paar Tagen haben wir kein Futter mehr, und Jock und ich haben gestern abend am Telefon noch einen Preis ausgemacht. Simon wird schon damit einverstanden sein. Er ist alleiniger Testamentsvollstrecker... Ich habe schon versucht, ihn anzurufen; aber er ist nicht da. Wahrscheinlich ist er wegen der Beerdigung unterwegs. Es wäre gut, wenn Sie hinüberführen und mit ihm selbst sprächen, Sara.«
Es hatte ziemlich lange Zeit gebraucht, bis er sie mit ihrem Vornamen anredete. Lord war altmodisch, aber als Ned und die halbe Nachbarschaft sie nach einem Monat bereits Sara nannten, hatte er eingesehen, daß »Miss Derwent« in einem Pferdestall viel zu förmlich und steif klang.
Sie erhob keinen Einspruch. Zwar schien es ihr nicht gerade passend, Simon, der eben einen so schweren Verlust erlitten hatte, mit Geschäften zu behelligen; auf der anderen Seite war er auch nicht der Mann, der Trauer heuchelte, wenn er sie nicht fühlte. Die beiden hatten sich nicht gerade geliebt. Und gestern abend... Aber sie schob die Erinnerung daran beiseite.
Selbstverständlich würde sie gehen. Ehrlich, wie sie war, machte sie sich selbst gegenüber kein Hehl daraus, daß sie Simon wiedersehen wollte. Sie würde ihm ihr Beileid aussprechen und ihm sagen, wie sehr sie es bedauerte, daß ausgerechnet Fatal Lady an dem Unfall schuld war.
Fatal Lady! Was mochte wohl jetzt aus ihr werden? Ob sie wohl so weiterleben durfte, wie Jock es geplant hatte, oder ob Simon sie verkaufen würde? Sie hoffte sehr, er würde sie behalten. Ein Fohlen von ihr konnte er verkaufen; das war nur vernünftig. Aber sie selbst weggeben? Nein, auf keinen Fall.
Als sie in Sichtweite von Simons Haus war, mußte sie erneut an einen möglichen Verkauf von Fatal Lady denken. Ein häßlicher Verdacht kam ihr. Wollte Lord wegen Fatal Lady mit Simon in Verbindung treten? Würde er vielleicht ein so günstiges Angebot machen, daß Simon, entgegen den Wünschen seines Onkels, das Pferd doch verkaufte? Wollte er nur der erste sein, ehe sich die übrigen Trainer im Land rührten?
Sie schalt sich selbst wegen ihres finsteren Verdachtes. Lord war nicht so. Ihm ging es nur um sein Heu, deswegen hatte er sie zu Simon geschickt. Das war alles. Und dann beschäftigte sie sich erneut mit Fatal Ladys Zukunft. Sie hoffte von ganzem Herzen, Simon werde sie weiter friedlich auf der Koppel lassen, so wie es sein Onkel gewollt hatte. Im übrigen konnte Sara die Geschichte, die ihr Dalby Lord bei seiner Rückkehr berichtet hatte, noch immer nicht glauben.
Was würde Simon tun? Wie war er in Wirklichkeit? Dieselben Fragen, die sie schon während der letzten Monate gequält hatten, beschäftigten sie, als sie durch die Koppeln auf das bescheidene, auf einem Hügel gelegene Haus zufuhr. Weshalb war er so unberechenbar? Weshalb hatte er sich plötzlich von einer so abweisenden, unfreundlichen Seite gezeigt? Weshalb hatte er ihr nichts mehr über seine Tierversuche erzählt, die sie so interessierten? Sie hatte fast das Gefühl gehabt, als ginge er ihr aus dem Weg. Sie zuckte die Achseln. Es hatte keinen Zweck, länger darüber nachzugrübeln. Sie war hier, um für Dalby Lord ein Geschäft abzuwickeln. Sie konnte Simon noch ein paar Worte des Mitgefühls sagen; aber sie hatte keinen Anlaß, sich über seine Probleme den Kopf zu zerbrechen. Das hatte sie schon genug traurige Stunden gekostet.
Als sie ausstieg, um ein Tor zu öffnen, warf sie einen raschen Blick über die Farm. Die Weidezäune mußten dringend gerichtet und die Wassertröge gereinigt werden. Alles machte einen etwas verwahrlosten Eindruck, so als wäre der Besitzer mit ganz anderen Dingen beschäftigt. In den Wassertrog hatte er Öl geschüttet, um irgend etwas auszuprobieren. Auf eine Koppel ganz in der Nähe hatte er Schaum gesprüht, um irgend etwas anderes zu testen. Ein einziger Blick genügte, um zu zeigen, daß Simon von seiner Idee förmlich besessen war. Er scheute keine Kosten, um dem Übel, unter dem das ganze Land zu leiden hatte, auf den Grund zu kommen. Sie seufzte, als sie sich wieder in ihr Auto setzte. Wenn er wirklich, wie man ihm nachsagte, bereit war, seine Farm zu ruinieren, nur um seine wissenschaftlichen Ansichten zu beweisen, dann war ihm wirklich nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher