Tod auf der Koppel
leichtem Plauderton erklärte: »Miss Derwent und ich haben gerade Tee getrunken. Wollen Sie ebenfalls eine Tasse? Nein? Mr. Lord hat Miss Derwent wegen des Heus zu mir geschickt, das ihm mein Onkel gestern abend noch versprochen hat. Er braucht es sofort.«
Sara setzte hinzu: »Mr. Lord hat kein Futter mehr, und er braucht das Heu ganz dringend. Er will es gleich selbst kleinschneiden. Er und Mr. Hawkins haben gestern abend noch wegen des Heus telefoniert, und...«
Wright horchte auf. »Gestern abend? Dann ist dieser Mr. Lord wohl der letzte gewesen, der mit dem Toten gesprochen hat. Ich muß ihn unbedingt sprechen.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Sara merkte, daß sie unerwünscht war; aber sie rührte sich nicht vom Fleck. Sie wollte da bleiben, um Simon, falls nötig, zu helfen.
Dieser fragte sich, was der Besuch der beiden Polizeibeamten zu bedeuten habe. Jims Bericht hatte ganz glaubhaft geklungen, obwohl ihm, Simon, der Gedanke nur schwer in den Kopf wollte, Fatal Lady trage die Schuld am Tod seines Onkels. Wenn Sara doch gegangen wäre! Sie sah ja entzückend aus, wie sie so dastand mit ihren blitzenden Augen und dem hocherhobenen Kopf. Wäre Millar nicht erschienen, hätte er sicher vollkommen den Kopf verloren. Er hätte ihr alles erzählt: seine Sorgen, und daß er so unglücklich gewesen war. Denn ohne Geld hätte er ihr nichts bieten können. Doch jetzt, dachte er weiter, würde alles anders werden. Ein bißchen Geduld brauchten sie freilich noch. Denn wenn es im Zusammenhang mit dem Tod seines Onkel weitere amtliche Untersuchungen gab, mußte er Sara aus der Geschichte heraushalten. Was hatte sie bloß gemeint, als sie ihn gebeten hatte, nichts von dem Streit mit seinem Onkel zu erzählen? Als wenn das die Polizei etwas anginge! Natürlich hatten ihn die harten Vorwürfe des Onkels im nachhinein noch sehr geärgert. Aber weshalb durfte niemand davon wissen?
»Mr. Hawkins, es handelt sich um eine reine Routineangelegenheit«, begann Wright freundlich. Nur seine Augen verrieten, daß er auf der Hut war. »Wir müssen Sie leider mit ein paar unangenehmen Dingen behelligen. Ihr Onkel kam nicht auf der Koppel ums Leben, und dieses Pferd war auch nicht der Mörder.«
In der Stille, die seinen Worten folgte, hörte Simon Sara tief Luft holen. Ohne es zu wollen, platzte sie heraus: »Ich habe auch nie geglaubt, daß Fatal Lady ihn getötet hat. Aber wer war es dann?« Als sie in Wrights Gesicht ein gewisses Befremden wahrnahm, fuhr sie ärgerlich fort: »Möchten Sie, daß ich gehe?« Sie bemühte sich, einigermaßen forsch aufzutreten; vielleicht durfte sie dann bleiben.
Wright lächelte besänftigend. »Bleiben Sie ruhig. Wir müssen Mr. Hawkins verhören, das ist ganz klar; aber das Verhör wird später sowieso veröffentlicht. — Das einzige, was wir im Augenblick mit einiger Sicherheit wissen, ist, daß der Tote ermordet wurde.«
Er hätte ebenso gut vom Wetter sprechen können, so unbeteiligt klang seine Stimme. Aber dabei ließ er niemand aus dem Auge. Sara erschrak und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht loszuschreien. Simon ballte die Hand, die auf dem Tisch lag, so heftig zusammen, daß die Knöchel weiß hervortraten.
»Ermordet?« Es klang wie ein spitzer, schriller Schrei, so daß Sara ihre eigene Stimme nicht wiedererkannte.
»Die Wunde am Kopf kann ebenso gut von einem Schlag herrühren wie vom Tritt eines Pferdes«, fuhr Wright bedächtig fort. »Was es genau gewesen ist, kann nur eine medizinische Untersuchung klären.«
»Aber es hat doch geheißen, auf seiner Stirn sei deutlich Fatal Ladys Hufeisen zu erkennen gewesen!«
»Sicher, die Wunde scheint von einem Hufeisen zu stammen. Aber wann und von wem er mit einem Hufeisen niedergeschlagen wurde, ist noch offen. Ein Gerichtsmediziner untersucht das gerade. Wir wissen lediglich, daß er nicht auf der Koppel erschlagen wurde. Er wurde zur Koppel transportiert. Dann muß der Körper den Stacheldraht des Zauns gestreift haben; denn es blieben ein paar Fäden von seiner Jacke daran hängen. Und dann warf man ihn auf der anderen Seite hinunter. Anschließend wurde er ein Stück durch das Gras geschleift.«
»Geschleift? Wie entsetzlich!« Alle Farbe war aus Saras Gesicht gewichen. Sie trat einen Schritt zurück und stand jetzt ganz dicht neben Simon. Aber Simons Hand auf dem Tisch bewegte sich nicht von der Stelle. Er schien wie gelähmt, unfähig, ihr zu helfen.
»Woher wissen Sie das?« war alles, was er
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