Tod auf der Koppel
helfen.
Er stieg gerade vom Pferd, als sie in den Hof fuhr, und kam ihr mit einem ernsten Lächeln entgegen. Sein Blick, der früher so freundlich gewesen war, ging durch sie hindurch.
Sie reichte ihm die Hand. »Simon, es tut mir sehr leid. Der arme Mann!«
Er hielt ihre Hand eine Weile fest, stand wie in Gedanken versunken da und sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, den sie sich nicht erklären konnte. »Danke, Sara. Ja, der arme Mann! Ich kann es noch immer nicht fassen. Erst gestern war er bei mir.«
»Ja.«
Sie sagte nur: »Ja«, nicht: »Ich weiß, daß er da war; ich habe euch streiten hören.« Er brauchte das nicht zu wissen. Es war schon schlimm genug für ihn, sich an die Vorwürfe seines Onkels erinnern zu müssen; sie brauchte die Sache nicht dadurch noch schlimmer zu machen, daß sie ihm erzählte, wie sehr sie als unfreiwillige Zuhörerin darüber erschrocken war. Sie zog ihre Hand nicht zurück; es tat ihr wohl, seinen Händedruck zu spüren.
»Sara, ich kann noch immer nicht glauben, daß Fatal Lady es getan hat.« Er sah sie ratlos an. Wahrscheinlich dachte er noch einmal an die häßliche Auseinandersetzung mit seinem Onkel und bedauerte den Streit.
»Ich begreife es ebenfalls nicht«, erwiderte sie.
Plötzlich merkte er, daß er noch immer ihre Hand hielt. Er ließ sie los. »Sie werden mich für sentimental halten. Onkel Jock und ich konnten uns nie besonders gut leiden, und ich habe keinen Anlaß, so zu tun, als wäre ich todtraurig. Aber ein Schlag ist es schon für mich; ich wollte, er wäre auf andere Weise gestorben. — Aber wir brauchen hier nicht stehen zu bleiben. Kommen Sie mit ins Haus. Ich mache Ihnen einen Tee.«
Sie folgte ihm in die kleine Küche. Alles war sauber und ordentlich, aber die Einrichtung war spartanisch einfach. Ein gescheuerter Tisch, zwei Holzstühle, ein kleiner Elektroherd. An einem Brett mit Haken hingen ein paar Tassen, auf einem Regal standen Töpfe und Teller. Auf einem zweiten Tisch lag ein Stoß Fachzeitschriften. Sie konnte sich direkt vorstellen, wie er am Ende eines langen Tages nach Hause kam, sich ein bescheidenes Mahl zubereitete und, während das Essen kochte, in den Zeitschriften blätterte. »Lassen Sie mich machen«, meinte sie rasch entschlossen. »Wir können, bis das Wasser kocht, von Geschäften sprechen. Dalby Lord läßt fragen, wann er das Heu holen kann.«
»Heu?« wiederholte er fragend. »Ich habe kein Heu.«
Sie glaubte ihm aufs Wort, daß er selbst nicht genug Heu hatte, um seine Tiere zu füttern. »Nein, nicht Sie«, fuhr sie fort. »Ihr Onkel hatte Heu zu verkaufen, und Lord hat deswegen gestern abend noch mit ihm telefoniert. Sie haben einen Preis vereinbart, und Lord will jetzt wissen, wie es damit steht. Er hat mir gesagt, Sie seien der alleinige Testamentsvollstrecker. Wenn es nach mir gegangen wäre, so hätten wir Sie heute in Ruhe gelassen, Simon. Aber unser Futter geht zu Ende, und Lord möchte wissen, wann er das Heu haben kann.«
Er nickte nachdenklich. »Gut. Ich muß dem wohl zustimmen, was mein Onkel gesagt hat. Noch ist mir das reichlich ungewohnt, aber ich muß mich jetzt wohl um seine Geschäfte kümmern.«
Sie tranken zusammen Tee. Plötzlich meinte sie: »Simon, was wollen Sie jetzt mit Fatal Lady anfangen?«
Er sah überrascht auf. »Mit Fatal Lady? Was soll ich denn machen? Sie ist doch nicht schuld.«
»Nein, gewiß nicht. Das meine ich nicht. Natürlich kann sie nichts dafür. Mir fiele es im Traum nicht ein anzunehmen, Sie könnten sie für die Mörderin Ihres Onkels halten... Ich meine, ob Sie sie weiter behalten oder lieber verkaufen wollen.«
»Selbstverständlich bleibt sie, wo sie ist«, erwiderte Simon. »Und sie braucht auch keine Rennen zu laufen. Mein Onkel hätte das nicht gewollt.«
Sara fiel ein Stein vom Herzen. Er fühlte also noch immer wie ein Mensch. Nicht nur, daß er ihre Fragen freundlich beantwortet und ihr gleichsam das Recht zugestanden hatte, sich nach seinen Plänen zu erkundigen; er war auch ganz aufrichtig in dem, was er sagte — daß die Stute nämlich bleiben dürfe. Trotzdem gab sie ihm zu bedenken: »Das Pferd ist sehr wertvoll. Sie bekämen eine Menge Geld dafür.«
»Nein, ich kann Fatal Lady nicht verkaufen. Nicht, daß ich besonders an ihr hinge. Ich hatte nie Gelegenheit, mich mit ihr anzufreunden; dazu war mein Onkel viel zu eigen. Aber sie war das einzige Lebewesen, für das er Sympathie empfand. Rennen sollte sie nicht mehr laufen. Deshalb möchte ich
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