Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Weg versperrte, tauchte in seinem Kopf der vage Gedanke auf, dass diese merkwürdige Zusammenkunft ihm gelten könnte. Aber auch jetzt fühlte er sich nicht sonderlich bedroht.
»Würden Sie bitte zur Seite treten, mein Guter?!«, fragte, sagte, befahl Eden. Aber der Mann hielt ihm stattdessen ein eng zusammengerolltes ledernes Bündel unter die Nase, aus dem ein Schlangenkopf herausragte und in dem Eden seine Peitsche erkannte. Er lächelte, offensichtlich noch immer ahnungslos.
»Ich danke Ihnen, mein Freund. Die habe ich schon überall gesucht. Hier!« Er zog eine Fünf-Shilling-Silberkrone aus seiner Westentasche, wo sich für solche Zwecke stets eine kleine Münze befand. »Betrinken Sie sich in Kapstadt auf meine Rechnung. Oder leisten Sie sich ein Mädchen. Ich habe mir sagen lassen, dass die Kaffernweiber aparte Künste beherrschen!«
Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter, aber er schüttelte sie nur ab. Erst als sie von allen Seiten auf ihn eindrangen, nach ihm griffen, erkannte er, dass er das war, worauf sie gewartet hatten, und die sichersten Instinkte seiner Klasse erwachten in ihm. Er schlug dem Erstbesten seinen Spazierstock über die Schulter, dass er zerbrach.
Da trafen ihn selbst die ersten Schläge, leichte Schläge, die kaum schmerzten, aber ihn doch aus seiner Selbstgewissheit rissen. Wenn die Erde selbst aufbegehrte, die groben Schollen sich erhöben gegen den Bauern, der mit dem Pflug über sie geht – der Mann könnte nicht überraschter sein als der dritte Lord Eden in diesem Augenblick. Und binnen Sekunden wurde er zu einem Wesen, das wusste, dass nur die Schnelligkeit seiner Beine und die Kraft seiner Muskeln es retten konnten.
Eden war viel stärker, als man ihm ansah, stark und gewandt. Er schlug nach rechts und links, trat und hatte dabei den Vorteil, dass seine vielen Gegner ihn offenbar nicht totschlagen, sondern lebendig ergreifen wollten. Nie war er sich seines geschmeidigen jungen Körpers so bewusst gewesen, auch vor seinem hässlichen kleinen Spiegel nicht, wie in diesen wenigen Minuten, in denen er um sein Leben lief, floh, Haken schlug, vom Heck bis zum Bug rannte, ohne einen Ausweg zu finden.
Was ihn entsetzte, war die völlige Lautlosigkeit dieser Jagd. Niemand erschien auf seine verzweifelten Hilferufe, obwohl das ganze Schiff zweifellos wach war. Es war absurd. Hörnerklang, Hufe, Hundegebell – selbst ein Fuchs oder Hase hatte einigermaßen klare Vorstellungen davon, was ihn erwartete, oder fand ein Loch, in das er kriechen konnte. An Bord des Schiffes gab es keine Zuflucht, wohin er auch kam und so schnell er auch lief. Und vorn erwartete ihn der Mann mit dem Tauende, einem Seil, das direkt aus dem Meer zu steigen schien, das von außen über die Steuerbordreling kroch.
Er stutzte vor Unverständnis. Da hatten sie ihn, war er in ihren Händen. Sie packten ihn rau, taten ihm aber nicht wirklich weh. Sie rissen ihm die Kleider vom Leib, warfen ihn nackt zu Boden. Er fühlte sich in einer perversen Weise wohl, es erinnerte
ihn an die Äquatortaufe. Auch da war er nackt zwischen all diesen Männern herumgesprungen, und sie hatten gelacht.
Er spürte das Tau an den Füßen, den Fußknöcheln, der Knoten war grausam stramm. Er wand sich am Boden, genoss die Berührung der harten Planken an seiner Haut. Dabei sah er die Männer an Backbord, die auch ein Tau in den Händen hielten, das im Meer verschwand. Ein Seemann wäre bei diesem Anblick gestorben vor Angst. Eden verstand es nicht.
Zwei Männer ergriffen ihn an Armen und Beinen, schwangen ihn zwischen sich hin und her, und zum ersten Mal sagten sie etwas: Sie zählten auf drei. Seine Lordschaft kam sich vor wie der alberne Mittelpunkt eines Kinderspiels. Bei drei flog er weit hinaus, über die Steuerbordseite, und fiel sechs Meter tief, bis ihn die Wellen verschluckten.
Eden kam fast sofort wieder hoch, spuckte aus, ruderte heftig mit Armen und Beinen, um über Wasser zu bleiben, und versuchte, an den Knoten an seinen Füßen heranzukommen. Wollten sie ihn ersäufen?
Das Schiff zog langsam an ihm vorbei, an der Reling erschienen Gesichter, die ihm und seinem verzweifelten Kampf zugewandt waren. Dann kam das Kommando: »Hiev!«, und auf dem Rücken, mit den Beinen voran, wurde er langsam in Richtung Schiff gezogen, während die flatternden Arme seinen Kopf über den Wellen hielten.
Der Himmel war immer noch hell. Er sah wildes Gewölk, bekam Gischt in die Augen. Seine Seite brannte vom Aufschlagen auf
Weitere Kostenlose Bücher