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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Bergmann gelegen. Ganz unversehrt, wie im Schlaf, jahrhundertelang. Jane gruselte sich, aber John lachte wie über einen guten Witz: Das sei wahrscheinlich der Mann, von dem alle redeten. Aber keine Angst, den würde er auch noch schlagen.

31.
    Er hatte überhaupt keine Chance. Es hatte tagelang geregnet, aber diesmal und an dieser Stelle war nicht nur die Erde weich und schwer geworden, so tief sie eben hinunterreichte, sondern auch die Wasseradern im Berg waren angeschwollen. Ihr Druck sprengte die Holzverschalung im Schacht, wie ein Kind eine Eierschale zerdrückt; so lächerlich gering waren
die Kräfte, die sie der Erde entgegensetzten. Balken brachen wie Zündhölzer, der Berg rutschte nach und verschloss den Schacht, als ob nasser Sand ein Stundenglas verstopft. Und die Zeit blieb stehen.
    John, sechshundert Meter tief in der Erde, hörte es nicht einmal. Merkte nur, dass das Gestänge plötzlich bebte, stillstand und dass von oben mehr Wasser kam als jemals zuvor. Als würde es unter der Erde regnen. Er stieg drei Leitern zum Blindschacht hoch, hörte nun doch leise Schreie von weit oben und sah in die Gesichter der beiden jungen Burschen, die den Schacht aushauten, um Platz für Männer und Material zu schaffen, wie immer nach fünfzig Metern Tiefe. Alle hundert Meter gab es sogar kurze Stollen zur Exploration. Aber kein zweiter Schacht reichte so tief hinunter.
    John, der Erfahrenste und Stärkste unter ihnen, stieg wieder ab, um die Leitern aus dem steigenden Wasser zu ziehen. Im schwachen Schein seiner Davy sah er, dass die unterste schon halb versunken war. Zog am Drahtseil, fühlte keine Spannung mehr und sagte: »Bruch!«, als die Jungen ihn ohne Entsetzen, nur in dumpfer Ratlosigkeit ansahen. Jetzt konnten sie schon hören, wie das Wasser stieg und von den Wänden der Schlamm rieselte.
    Sie würden die Leitern quer stellen im Schacht, sich Meter um Meter hochhangeln wie die Kletteraffen und hoffen, dass das Wasser nicht schneller war. Sie würden auf das immer dichtere Geflecht des schlaffen Drahtseils treffen, Hunderte Meter Seil, die sich im Schacht zusammenknäulten. Sie würden sich vorsichtig durcharbeiten müssen, um nicht hinabgerissen zu werden in die Grube, die in Wasser und Schlamm versank.
    Sie würden mit Männern kämpfen müssen, die in den höheren Stollen lagen und nicht hinauskonnten. Kämpfen müssen
um ihre drei Leitern, in der immer dichteren Luft. Denn die Luft im Schacht würde zusammengepresst werden vom Druck des dort unten gurgelnden Wassers. Ihre Brustkörbe würden sich immer schneller heben und senken, die Lungen immer verzweifelter pumpen, aber ihre Bewegungen würden langsamer, mühsamer werden. Ihre Lampen würden verlöschen, und sie würden keine Chance haben.
    Oben schrie der Dampf es ins Tal hinaus, die Glocken verbreiteten die Nachricht von Dorf zu Dorf, von Grube zu Grube. Frauen stürzten herbei, einige stumm, andere heulend wie Klageweiber, sammelten sich am Schacht. Tapfere Männer stiegen hinab, bis auf dreihundert Meter, und kamen schmutzig, nass, hoffnungslos wieder herauf, fanden den Grund nicht mehr. Nur Wasser und Schlamm, den ganzen Berg in Bewegung.
    »Sie säuft ab!«, sagten sie, blass vor Entsetzen. Einige weinten, andere schwiegen, alle wussten, was unter ihren Füßen, tief in der Erde geschah. Nur Jane Williams schrie auch dann noch nach Rettung und Hilfe, als die anderen Frauen nur noch für einen schnellen Tod beteten.

32.
    Die Quartierf rage war komplizierter als erwartet, da das Offizierskorps der 16. Füsiliere die herrenlosen Kabinen der ersten Klasse auf den achteren Decks von der Flanke her angegriffen hatte und das eroberte Gebiet nun besetzt hielt. Leutnant Carver hatte sich zwar auffallend freundlich um Gowers’ Unterbringung bemüht, war aber an der Dickfelligkeit seiner Kameraden gescheitert.
    Einer machte den merkwürdigen Vorschlag, er, Carver,
könne ja mit Mr. Thompson tauschen, aber erst als der Leutnant tatsächlich Anstalten machte, »Miss Thompsons Bruder« seinen eigenen Platz anzubieten und mit einer Hängematte in die Mannschaftsquartiere auf den vorderen und mittleren Decks umzuziehen, hatte der Quartiermeister ein Einsehen. In der letzten freien Kabine achtern, reserviert für einen Arzt von Charleston nach Kapstadt, wäre womöglich eine Koje frei – vorausgesetzt, Thompson würde sich mit diesem Herrn einigen können.
    Da man Charleston noch nicht erreicht hatte, war das zumindest eine Übergangslösung, die Emmeline

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