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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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»Ich bin mir meiner sich aus dieser Situation ergebenden Pflicht voll und ganz bewusst, Sir … Daniel. Ich darf mir deshalb erlauben, Sie um die Hand Ihrer Schwester zu bitten!«
    »Kann ich davon ausgehen, dass Emmeline einverstanden ist?«
    »Jawohl! Ich meine, sie hat Ja gesagt.«
    »Hm. Dann werde ich wohl bei nächster Gelegenheit mit dem Kapitän sprechen, Charles.«
    »Das wäre wunderbar, Daniel.«
    »In der Tat.«
    »Wirklich.«
    Die beiden Männer schüttelten einander die Hand und brachten es dann fertig, sich zu trennen, ohne von ihren Gefühlen überwältigt zu werden. Van Helmont, der die formvollendete Szene gesellschaftlichen Miteinanders beobachtet hatte, sagte hinterher kopfschüttelnd: »Wissen Sie, warum Ludwig XVI. und Marie Antoinette am Anfang keine Kinder zustande gebracht haben?«
    »Nein«, sagte Gowers. »Aber Sie werden es mir sicher gleich sagen.«
    »Nun«, der Mediziner war sichtlich in seinem Element. »Seine Ärzte, sie hatten ihm gesagt, dass er dazu eine Erektion
haben muss. Und dass er sich auf die Prinzessin legen und in sie eindringen soll. Das hat er dann auch einige Jahre lang brav jeden Abend getan.«
    »Und?«
    »Und – sie hatten ihm nicht gesagt, dass er sich bewegen muss …« Der Arzt platzte beinahe vor Lachen über seinen eigenen Witz.
    Gowers grinste. »Ich nehme an, dass Sie damit irgendetwas Dunkles über die Sitten und Gebräuche des alten Kontinents andeuten wollen. Und was war denn nun los, heute Nacht, da unten?«
    »Oh, anscheinend nicht annähernd so viel wie hier oben!« Van Helmont bekam seine Heiterkeit nur allmählich wieder in den Griff. »Aber ich dachte, es würde Sie interessieren …« Er wartete kurz, ob nicht noch jemand hereinplatzen würde. »Nun, ich hatte das deutliche Gefühl, dass ich nicht allein war!«

67.
    Als der Felsen aus der See herauszuwachsen begann, versammelten sich die Verbannten an Deck. In wenigen Stunden wurde der kleine dunkle Fleck zu einem zerklüfteten Gebirge, einer düsteren Steilküste, die bis zu sechshundert Meter hoch war.
    Sie suchten mit Augen, mit Ferngläsern nach grünen Flecken, Bäumen, Grasflächen auf dieser ungeheuren Mauer aus vulkanischer Schlacke und fanden nichts. Auf Stunden hin, nichts! Eine einzige riesige, unübersteigbare Wand aus grauer und brauner Lava. Kein Sandstrand, keine Palmen, nicht einmal ein Ufer, nur die schroffen Klippen von Ladder Hill, gegen
die seit einigen Millionen Jahren ein ganzer Ozean schlug, ohne sie wegwaschen zu können.
    Der Sieger von Austerlitz ließ das Fernglas sinken und vergrub beide Hände in den Taschen seines Mantels, damit niemand sehen konnte, dass sie zitterten. Er dachte an Elba, diesen freundlichen Ort, mit seinen Olivenhainen und Zitronenbäumen, umgeben von einem azurblauen Meer unter einem freundlichen Himmel. An den Zephyr, der aus seiner Heimat herüberwehte, aus Korsika.
    Elba hatten sie ihm gelassen, der Zar, die Könige Preußens, Englands und – Frankreichs. Es hatte ihm gehört. Er war dort kein Gefangener, sondern ein souveräner Fürst gewesen, hatte Straßen, ein Theater, ein Krankenhaus bauen lassen und tausend Mann seiner Garde als Leibwache. Er dachte an seine Mutter, die auf Elba sein Haus geführt hatte; nicht das Haus eines Kaisers, aber ein großes, herrschaftliches Haus, das er erst vor sieben Monaten verlassen hatte, um wieder Herrscher über Europa zu werden. Es war an wenigen Stunden gescheitert, am Regen und am Fehler eines subalternen Generals, der die Preußen verfolgte, wo sie nicht waren, und ihm nicht beistand, als er ihn brauchte.
    Seine Mutter hatte ihn gewarnt, die ewige Pessimistin, bei seinem Abschied, ihrem letzten Gespräch: »Wo werden sie dich das nächste Mal hinschicken?«
    Das hier hätte ihr alles sehr gefallen. Nicht, weil sie ihren Sohn in einer so verzweifelten Lage sehen wollte, sondern weil sie wieder recht behalten hatte mit ihrer Skepsis. Nach seiner Kaiserkrönung, nachdem er all seinen Geschwistern die Kinder der europäischen Königshäuser ins Bett gelegt hatte, da fragte die alte, unbeugsame Korsin schon: »Wie lange wird das gut gehen?«
    Der Gedanke an seine Mutter weckte die Kräfte der Selbstironie,
und seine Hände hörten auf zu zittern. Er schaute trotzig auf die vielen Segel rings auf dem Meer, auf die zehn englischen Schiffe, die ihn eskortierten, und dachte: Weiß Gott, wenn ein Bonaparte zur Hölle fährt, fährt er Extrapost.
    Und wieder zu den trostlosen Felsen gewandt, diesem

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