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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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einen Blumenstrauß, und zwei junge Mütter waren offenbar planmäßig aus dem Spalier der Jubelnden ausgebrochen und boten ihm ihre Babys zum Willkommenskuss an.
    Gowers lächelte gequält. Er hatte weiß Gott schon viele Identitäten angenommen, aber Daniel Thompson fing an, ihm auf die Nerven zu gehen. Zumal er offenbar gerade mit seinem »Vater« Samuel verwechselt und für den neuen Gouverneur von St. Helena gehalten wurde. Als er glücklich auf terra firma stand, wechselte die Menge gerade von jeweils dreifachen Hoch- und Hurra-Rufen auf ein unterschiedlich skandiertes »Lang lebe Thompson!«, das ihm siedend heiß durch die Knochen fuhr. Wie sollte er den braven Leuten nur beibringen, dass Samuel Thompson sich schon seit fast zwei Monaten in Segeltuch eingenäht und mit einem Sack Ballast an den Fußknöcheln in einer vermutlich eher trostlosen Einöde auf dem Grund des Atlantiks befand?
    Ein grauhaariges Männlein in einer altertümlichen britischen
Admiralsuniform schwankte freudetrunken auf ihn zu und ergriffbewegt seine Hand: »Freue mich sehr, Mr. Thompson, freue mich außerordentlich!«
    Gowers räusperte sich verlegen. »Tut mir leid, Sir, aber das ist eine Verwechslung.«
    »Oh!«, sagte das Männlein, nicht im Mindesten beunruhigt, und wandte sich nun mit entschuldigendem Lächeln an Van Helmont: »Dann sind Sie Thompson. Schön, Sie endlich hierzuhaben!«
    Van Helmont nahm die Zigarre aus dem Mund, drückte herzlich die angebotene Hand und sagte in Anspielung auf die Jubelkulisse: »Ist auch schön herzukommen, Sir. Aber ich bin leider auch nicht Thompson.«
    »Nicht?«, sagte das Männlein, jetzt doch enttäuscht, und fügte mit einem Anflug von Ärger hinzu: »Wo zum Teufel ist Thompson?«
    »Mein Vater, Sir«, sagte Gowers sehr vorsichtig, »Samuel Thompson ist leider auf See verstorben.«
    Das Männlein, in dem man nun unschwer den alten Gouverneur erkennen konnte – obwohl solche feinen Unterscheidungen gerade obsolet geworden waren –, verkroch sich in einem Anfall von jäher Schwermut in seiner Admiralsuniform, schnurrte jedenfalls merklich zusammen und »der Menschheit ganzer Jammer trat in seine Augen«, wie Van Helmont es später ausdrückte. Offenbar setzte ihm vor allem die Aussicht zu, noch einmal auf unbestimmte Zeit Ihrer Majestät Königin Viktorias Stellvertreter auf dieser zugigen kleinen Insel zu sein.
    »Gottverdammt, gottverdammt!«, murmelte er, ging an seinen Besuchern vorbei und starrte sehnsüchtig hinaus auf die See, als würde er am liebsten hineinspringen und bis nach England schwimmen, ohne noch einmal zurückzuschauen.
Allmählich verstummten auch die Vivat-Rufe der tapferen Kolonisten in seinem Rücken, denn aus dem merkwürdigen Verhalten ihres Häuptlings erschloss die Menge, dass es im Verlauf der weiteren Inaugurationsfeierlichkeiten unvorhergesehene Schwierigkeiten geben würde – milde ausgedrückt.
    »Jammerschade, all das abzublasen«, sagte der kleine Gouverneur, als er sich wieder ein wenig gefangen hatte und sich erneut dem Felsen und seinen jetzt todtraurigen Pflichten zuwandte. »Und Ihnen mein Beileid, Sir!« Zum zweiten Mal drückte er Gowers die Hand, und es war unklar, wer wen mehr bedauerte. Die versammelte Kronkolonie schien den Händedruck allerdings für ein hoffnungsvolles Zeichen zu halten, denn vereinzelt und zaghaft ließen sich nun wieder Hurra-Rufe hören.
    »Warum abblasen?«, mischte sich da Van Helmont ins kolonialpolitische Geschehen. »Machen Sie einfach eine Art Leichenfeier daraus. Mr. Thompson hier kann ein paar passende Worte sagen!«

91.
    Gowers warf dem Arzt einen so erbitterten Blick zu wie nur je ein Mann, der schon bei einer kleinen Hochzeitsfeier auf See nicht die passenden Worte gefunden hatte, und machte deutliche Anstalten, wieder ins Boot zu steigen.
    Zu seiner unendlichen Erleichterung schüttelte der Gouverneur rasch den Kopf und sagte: »Nein. Aber ich fürchte, ich muss ein paar passende Worte sagen. Wenn mir auch im Moment keine einfallen. Kommen Sie mit, Gentlemen!«
    Sie folgten ihm zu der kleinen Tribüne, wobei ihr Führer den aufbrandenden Applaus durch Mimik und Gestik geschickt
zu dämpfen verstand. Oben angekommen, entblößte er als Erstes sein graues Haupt und brachte die Menge dadurch endgültig zum Verstummen.
    »Meine lieben Landsleute! Ich bedauere unendlich« – und hier machte er eine kleine Pause, die ihm selbst wahrscheinlich mehr bedeutete als allen anderen –, »Ihnen mitteilen zu müssen,

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