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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Kilo abgenommen, seit ich Sie zum letzten Mal gesehen habe.«
    »Achtzehn«, sagte er und lachte. »Aber in einem Jahr hab ich zehn davon sicher wieder drauf.«
    »Alles die Gene. Ich bin ja auch…« Irmi sah an sich hinunter.
    »Sie sind ganz richtig so, Frau Mangold«, meinte Deubel und fuhr fort: »Jedenfalls war ich der mit dem geringsten Selbstvertrauen. Für mich war es eine große Ehre dazuzugehören. Ernst mochte mich. Ich war auserwählt.«
    »So was Ähnliches hat Maria auch gesagt.«
    »Wenn ich mir diese ganze irre Zeit damals vor Augen halte, dann waren Maria und ich am schwächsten. Wir hatten Bedenken, wenn Ernst nachts ins Eisstadion einstieg, um Schlittschuh zu laufen. Wir fanden den Wahrnehmungsverlust, wenn gekifft wurde, gar nicht erstrebenswert. Mir machte es Angst, wenn ich alles lauter hörte, wenn ich kichern musste wie ein Mädchen, wenn ich Moped fuhr und bei vierzig Stundenkilometern das Gefühl hatte, gleich die Schallmauer zu durchbrechen. Eine Zeit lang hat sich Ernst von ein paar Amis so ein flüssiges ölartiges Zeug besorgt, das man einfach außen auf eine ganz normale Zigarette geschmiert hat. Keine Ahnung, was da sonst noch drin war, aber ich fand die Wirkung eher beängstigend.« Er brach ab.
    »Ich verhafte Sie deshalb heute nicht.« Irmi lächelte.
    »Nein, das hab ich auch nicht befürchtet. Mir kommt das Ganze nur so vor, als wäre es gestern gewesen. Wenn wir uns in den letzten Jahren über damals unterhalten haben, dann hat man gespürt, wie sehr Ernst das genoss. Wie er in diesen Geschichten gebadet hat. Ich fand mich mit zwanzig alles andere als glänzend und war im Kreis der Fünf Freunde auf Position fünf. Um auf Kurt zurückzukommen: Er war wie ich, voller Ängste und Zweifel. Mit einem Bruder wie Ernst war er gestraft. Er war ein Opfer, aber er hat sich auch zu sehr gehen lassen. Ich glaube, seine Umgebung hätte früher gegensteuern müssen. Aber es war wie immer: Ernst hat nichts unternommen, also wir auch nicht. Was Ernst vorgab, war die Marschrichtung.«
    »Wenn Sie die Nummer fünf waren, wie verteilten sich denn dann die anderen Plätze?«, fragte Irmi.
    »Der Quirin war die Nummer zwei mit Ambitionen auf den Spitzenplatz. Sepp Ostler hatte das Talent eines perfekten Mitläufers, der konnte sich anpassen, hatte immer Spaß und ein sonniges Gemüt und wäre wahrscheinlich auch ohne uns ausgekommen.«
    Irmi wartete ein paar Sekunden. »Da war noch Florian Eitzenberger.«
    »Ach ja, der Flori. Ein Hitzkopf, aber nicht intelligent genug, Ernst oder Quirin das Wasser zu reichen.«
    »Der ist inzwischen weggezogen, meinte Maria.«
    »Äh, ja, genau.«
    Irmi nippte an dem Ramazzotti, der nicht weniger werden wollte. »Die Vergangenheit ist noch sehr nah, oder?«
    »Ja, Todesfälle bringen immer diese Erinnerungen mit sich. Man ruft so vieles auf, was sonst nur in Fotoalben klebt. Eigentlich beklemmend.«
    »Was, das Erinnern?«
    »Dass die Vergangenheit die Gegenwart so stark prägt«, sagte Hubert Deubel sehr nachdenklich.
    »Aber in der Gegenwart ist Ernst gestorben. Wer war es? Er hat mit seinen spektakulären Protestaktionen gegen die WM sicher mehr Feinde als Freunde gewonnen. Göttlich oder nicht, auch Götter stürzen, sie stürzen nur tiefer«, sagte Irmi.
    Hubert Deubel betrachtete sie interessiert. »Da haben Sie wohl recht.«
    »Wie stehen Sie denn zur WM?«, erkundigte sich Irmi.
    »Wahrscheinlich wie die meisten. Ich glaube nicht, dass hinterher alles anders ist als vorher. Sicher bringt die WM einen gewissen Bekanntheitsgrad für den Ort, sicher gibt es Investitionen, die dem Tourismus nutzen, aber Alpinski ist doch immer noch eine Randsportart. Wenn wir hier eine Fußball-WM hätten, dann vielleicht… Lassen Sie mich es mal so sagen: Es schad ned vui, es nutzt ned vui.«
    Irmi lachte. »Werdenfelser Pragmatimus?«
    »Ja, klar, damit sind wir über die Jahrhunderte ganz gut gefahren. Wer einen Werdenfelser verbiegen will, muss ein Titan sein oder Uri Geller. Ich verstehe die ganze Aufregung gar nicht. Wir haben jeden Winter Weltcup-Rennen. Schön und gut, und eine Woche später kräht kein Hahn mehr danach.«
    »Herr Deubel, damit liefern Sie mir auch keine Verdächtigen, höchstens Einblick in unser aller Mentalität«, scherzte Irmi. »Ernst hatte offenbar ein großes Mitteilungsbedürfnis, er hat seinen alten Kumpels doch sicher Schwänke aus seinem Leben erzählt.«
    »Sie meinen Schwänke über die, die seine Visionen nicht teilten? Also, ich weiß

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